BARE-FACED MESSIAH
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Kapitel 18

Die Gesandten Gottes

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"Es ist möglich, dass Kommodore Hubbard und seine Frau ... so eine Art Philanthropen und/oder Exzentriker sind, doch wenn man das nicht als Erklärung akzeptiert, muss dieser Operation etwas anderes zugrunde liegen. Was das sein könnte, weiss man hier nicht, obwohl die Leute hier in Casablanca über alles mögliche spekulieren, von Schmuggel über Drogenhandel bis zu einer bizarren religiösen Sekte."
(Telegramm vom Generalkonsul der USA in Casablanca an Washington, 26. September 1969)


Scientologys Zusammenfassung der Jahre 1968-69.

Scientologys Zusammenfassung der Jahre 1969-72.

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Als die Apollo so schmachvoll von Korfu aufbrach, informierte man die Hafenbehörden, dass man nach Venedig wollte; diese Information wurde zweifellos an die CIA und das Aussenministerium in London weitergegeben, denn sowohl die USA als auch Grossbritannien war sorgsam darauf bedacht, dem verschlagenen Kommodore der Sea Org auf der Spur zu bleiben. Doch sobald das Schiff ausser Sichtweite des griechischen Festlandes war, ordnete Hubbard an, den Kurs zu ändern. Die Apollo wandte sich nach Westen gegen Sardinien, wo man in grosser Hast auftankte und die Vorräte nachfüllte. Dann nahm das Schiff Kurs auf die Strasse von Gibraltar, um dort das Mittelmeer zu verlassen.

Die nächsten drei Jahre lang kreuzte die Apollo im Ostatlantik, lief je nach Laune des Kommodore ziellos einen Hafen nach dem anderen an und blieb kaum je länger irgendwo als sechs Wochen. Sie wagte sich bis zu den Azoren in den Atlantik hinaus, und kam einmal sogar bis Dakar, der Hauptstadt Senegals, doch meist kreuzte sie in Rautenmustern über den Atlantik, wobei Casablanca, Madeira, Lissabon und die Kanaren die Eckpunkte darstellten; es schien kein anderes Ziel zu geben, als in Bewegung zu bleiben.

"LRH sagte, wir müssten in Bewegung bleiben, denn es gäbe soviele Leute, die hinter ihm her waren", erklärte Ken Urquhart, der damals der Sprecher des Kommodore war. "Wenn sie ihn schnappen würden, würden sie ihm soviel Ärger verursachen, dass er seine Arbeit nicht würde fortsetzen können. Scientology würde nicht in die Welt hinaus getragen werden und es würde zu einem sozialen und ökonomischen Chaos kommen, wenn nicht zu einem nuklearen Holocaust." [1]

Der US Geheimdienst konnte sich keinen Reim darauf machen, was Hubbard vorhatte; es trafen Telegramme in Washington ein, die über ein Bündel unerlaubter Aktivitäten spekulierten, dabei reichte die Bandbreite vom Sklavenhandel bis zum Drogenschmuggel. Im September 1969, während die Apollo in Casablanca war, informierte der örtliche US Konsul Washington von einem Besuch auf dem Schiff. Alle Bedenken, so schrieb er, wurden "durch die Verschwommenheit der Antworten noch bestärkt", zum Beispiel als es um so einfache Fragen wie den Aktivitäten des Schiffs ging. Der Konsul hatte eine Broschüre mitgenommen, die auch nicht weiter Aufschluss gab, denn sie erklärte nur, dass die Auszubildenden an Bord "die Kunst und Kultur der Navigation" lernten, "eine Theorie, die sich (soweit sie angewendet wird) auf See als sehr nützlich erweist".

Da das Schiff in Panama registriert war, versuchte dann auch der panamesische Konsul sein Glück, doch auch er kam nicht weiter. Er fand das Schiff "in ziemlich desolatem Zustand" vor und glaubte, dass "das Leben der Crew in Gefahr war", wenn das Schiff auf hoher See war. "Der panamesische Konsul hat vergeblich versucht, Kommodore Hubbard zu treffen, der sich eine Suite im El Mansour Hotel genommen und das Hotelpersonal angewiesen hatte, keine Telefongespräche für ihn durchzustellen". [2]

In häufigen Kommuniqués vom Schiff an seine ergebenen Schüler erklärte Hubbard, wie sich die feindlichen Kräfte gegen Scientology in Stellung brachten und feilte seine Theorie einer "internationalen Verschwörung" weiter aus, an der er schon immer einen Narren gefressen hatte. Draussen auf dem Atlantik auf den Kreuzfahrten auf seinem Flaggschiff entwickelte sich die Tendenz des Kommodore, in allem eine kommunistische Verschwörung zu sehen, zu einer fixen Idee. Er nannte es den "Tenyaka Gedenktag" – und meinte damit eine mysteriöse Behörde, die die Angriffe auf Scientology koordinierte. Seine Jagd nach dem Tenyaka Gedenktag war das Thema eines ausschweifenden 31-seitigen Monologs vom 2. November 1969, der "Verdeckte Operationen" betitelt war und in dem er sagte, dass er und Mary Sue entdeckt hatten, dass die Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation für den britischen und amerikanischen Geheimdienst arbeiteten. "Diese Bastarde, die sich eigentlich um die Sicherheit in diesen Ländern kümmern sollten", schrieb er, "sollten einfach mit Elektroschocks um die Ecke gebracht werden. Ich scherze nicht. Denn die gleichen Leute ... treffen sich jedes Jahr auch mit den Russen". Später entschied sich der Kommodore dafür, dass der Tenyaka Gedenktag von einer Untergrundbewegung der Nazis gesteuert wurde, die zum Ziel hatte, die Weltherrschaft zu übernehmen. [3]

Sowohl Hubbard als auch Mary Sue, die sich der Titel "Stellvertretender Kommodore", "Mitarbeiterschutz Kommodore" (CSG) und "Prüfer" erfreute, pfefferten ihre Memoranda mit Militär- und Geheimdienstjargon. Mary Sue leitete das mächtige "Guardian Office", sozusagen den scientologischen Geheimdienst. In einem "Schutzbüro-Befehl" vom 16. Dezember 1969 warnte sie davor, dass der Feind die Church mit Doppelagenten infiltrierte und drängte darauf "alle verfügbaren Mittel" einzusetzen um die Infiltrierung zu entdecken. Eines der "Ziele dieser Operation" war es, mittels Nachforschungen alle Daten zusammenzutragen, damit man "im Falle eines Angriffs" gewappnet wäre. [4] "Smersh" kam sogar in einer von Hubbards Flag-Befehlen vor, der die zweite Aktivitätszone von Scientology so definierte: "In das Territorium von "Smersh" eindringen, es dort besser zu machen, ein Haufen Geld zu machen und das Feld geistiger Gesundheit zu reinigen". [5]

Die Notwendigkeit dieser Sicherheitsvorkehrungen wurde all jenen Scientologen eingebläut, die an die diversen Zielhäfen geflogen wurden, um die Crew an Bord zu verstärken. Sie wurden instruiert und wiederholt auf ihre "Tarngeschichten" gedrillt – dass sie Beschäftigte der "Operation and Transport Corporation" waren, einer Business Management Gesellschaft. Sie wurden gewarnt, ja keine scientologischen Ausdrücke zu verwenden, alle Verbindungen zwischen OTC und Scientology zu leugnen und vor allem vorzuschützen, sie würden L. Ron Hubbard nicht kennen.

Alle abgehende Post musste dem diensttuenden Offizier offen übergeben werden und jeder Brief wurde von einem Ethikoffizier wegen möglicher Sicherheitsverstösse geprüft. Die genehmigte Post wurde en Gros nach Kopenhagen gebracht und erst dort aufgegeben. Um zu vermeiden, dass Feinde an Land aus Neugier den Müll des Schiffs nach verdächtigen Papieren sichteten, wurden alle Papiere gebündelt und im Meer versenkt. Und bei den raren Gelegenheiten, wenn "Wogs" der Zutritt zum Schiff gestattet wurde, musste die Crew einen "sauberes Schiff Drill" ausführen, was besagte, dass jegliches Scientology Material versteckt wurde und die Bilder von L. Ron Hubbard an die Wand gedreht wurden.

Hubbards beständige Wiederholung, dass Scientology von dunklen Kräften bedroht wurde, die danach trachteten, alles zu zerstören, was der Menschheit half, förderte bei der Mannschaft der Apollo eine Belagerungsmentalität zu Tage und versah sie mit Scheinrechtfertigungen für die rauhen Sitten an Bord. Überall in der Sea Org wurde dauernd die Notwendigkeit von Einsatz, Wachsamkeit und Opferbereitschaft betont; dies schuf ein Klima wilder Loyalität, die blind für Logik oder die tatsächliche Wahrheit war. Die "Tarngeschichten", von denen alle wussten, dass sie ein Haufen Lügen waren, waren eine bedauerliche Notwendigkeit, da ja die Welt mit Scientology gerettet werden musste.

Ebenso war es eine bedauerliche Notwendigkeit, dass man die Leute daran hindern musste, "von der Org abzuhauen". Obwohl die Pässe in einem Safe versperrt waren, waren Versuche, sich davon zu machen nicht unbekannt.Wann immer das passierte, wurde so schnell wie möglich Sea Org Personal um das entsprechende Konsulat positioniert, wo der Flüchtige sich vermutlich einen neuen Pass besorgen würde. Wenn sie zu spät waren, wurde ein "Dead Agent (in diesem Fall: mundtoter Agent) Plan" aktiviert. Der Entlaufene wurde angeklagt, ein Dieb oder Störenfried zu sein, um ihn beim Konsulat zu diskreditieren, egal welche Geschichte er dort auftischte; in der Ausdrucksweise von Kriegsspionen würde er damit neutralisiert und zum "Dead Agent" werden." [6]

Trotz der ständigen Einschränkungen der persönlichen Freiheit verbesserten sich die Zustände etwas, nachdem die Apollo das Mittelmeer verlassen hatte. Die "harte Ethik" wurde etwas gelockert – die Leute wurden z. B. nicht mehr über Bord geworfen – und das Benehmen des Kommodore war merkbar freundlicher. "Er unternahm oft einen Spaziergang am Promenadendeck und unterhielt sich mit den Leuten", sagte Urquhart. "Er trug normalerweise ein weisses Seidenhemd mit goldener Schnur, eine Krawatte und eine Seemannsmütze mit einem Haufen Kinkerlitzchen über dem Schirm; man konnte ihn immer im Zentrum einer Gruppe von Leuten stehen sehen, wann immer er anhielt und eine Unterhaltung anfing. Doch es gab immer noch sehr viel Spannungen an Bord. Die Möglichkeit, dass jemand einen Fehler machte, der dann eine "Aufregung" verursachte, war allgegenwärtig. Jemand konnte etwa den Hafenmeister verärgern oder mit einem falschen Wort antworten oder es konnte jemandem etwas über Scientology herausrutschen. Jedenfalls war täglich "die Scheisse am Dampfen", darauf konnte man Gift nehmen."

An Bord des Schiffes wurde kein Versuch unternommen, den Mythos aufrechtzuerhalten, dass Hubbard sich von der Leitung von Scientology zurückgezogen hatte. Zwischen 40 und 50 Fuss (13-17 Meter!) an Telex Nachrichten kamen täglich von den diversen Scientology-Büros weltweit herein; zudem erhielt er wöchentliche detaillierte Berichte über die Statistiken jeder Org und ihr Einkommen. Fraglos interessierte sich der Kommodore am meisten fürs Geld, wenn er auch eine pathetische Geringschätzung für solche Angelegenheiten wie finanzielle Gewinne zur Schau trug. Loyale Mitglieder des Sea Org, die 10 $ pro Woche erhielten, glaubten, dass der Kommodore sogar noch weniger nahm, denn genau das erzählte er ihnen. In Wahrheit bekam Hubbard 15.000 $ die Woche von Churchfonds, die über die Hubbard Explorational Company an ihn weitergeleitet wurden. Gewaltige Summen wurden über Briefkastenfirmen verschoben und auf geheimen Bankkonten in der Schweiz und in Liechtenstein gelagert. Als eines dieser Konten 1970 geschlossen werden musste, wurden eine Million Dollar in bar auf die Apollo gebracht. [7]

Auch gab es einen beträchtlichen Unterschied auf dem Schiff zwischen der Lebensweise Hubbards und den Umständen, die alle anderen zu erdulden hatten. Die meisten Besatzungsmitglieder lebten zusammengepfercht in stinkenden, von Ungeziefer verseuchten Schlafräumen in Dreier-Etagenkojen, die nur wenig Raum für persönlichen Besitz liessen. Hubbard und Mary Sue hatten beide eigene Aufenthaltsräume, zudem eine Suite auf dem Promenadendeck bestehend aus Auditing-Raum, Büro, einem eleganten Salon und einem holzgetäfelten Esszimmer, zu denen der Zutritt für Studenten und Besatzung verboten war. Hubbard hatte einen persönlichen Diener, ebenso wie Mary Sue und die Kinder, die natürlich alle auch ihre eigenen Kabinen hatten. Die Mahlzeiten für den Kommodore und seine Familie wurden in einer separaten Küche von ihrem persönlichen Koch zubereitet, die Zutaten kamen via Kurier aus den Vereinigten Staaten.

Als Mike Goldstein, ein Anthropologie-Student an der Universität von Colorado, zur Sea Org kam, wurde er in den Kurierdienst gedrängt. "Ich wurde in Los Angeles instruiert und auf meine Tarngeschichte gedrillt. Man machte das sehr mysteriös, so eine richtige Mantel-und-Degen-Geschichte. Es war beängstigend. Es wurde mir eingeschärft, nur ja meine Instruktionen buchstabengetreu zu erfüllen; dann bekam ich eine Schachtel, die ich aufs Schiff mitnehmen sollte. Ich sollte angeben, dass sie Papiere für die Operation and Transport Corporation enthielt. Als ich dann durch die Sicherheitskontrolle in Los Angeles ging, aktivierte die Schachtel den Alarm. Ich starb beinahe. Sie öffneten sie und entdeckten, dass sie Hubbards Unterhosen enthielt, die in einem Beutel mit Metallklammern waren."

"Als ich dann in New York ankam, sagte man mir, dass ich etwas anderes transportieren sollte – 14 Schachteln, die auf einer gleichbleibenden Temperatur gehalten werden mussten. Niemand sagte mir, was drin war, nur dass es essentiell war, dass sie heil auf dem Schiff ankamen. In London musste ich dann das Flugzeug wechseln. Der Transfer von einem Terminal zum anderen mit diesen 14 Schachteln war der reinste Wahnsinn. Ich kam in Madrid an und wurde zum Apartment eines Sea Org Mitglieds gebracht, der die Schachteln in den Kühlschrank stellte. Am nächsten Tag flog ich weiter nach Casablanca, nur um dort zu entdecken, dass das Schiff schon weiter in den Süden nach Safi gefahren war. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon völlig paranoid wegen dieser Boxen, voller Angst, dass die Hitze an diesen mysteriösen Inhalt gelangen konnte. Ich konnte sie weiter einpacken lassen und fand schliesslich einen Bus, der mich nach Safi brachte, wo ich endlich auf das Schiff traf und die Schachteln aushändigte. Ich wunderte mich ständig, was zum Teufel in diesen Boxen war, doch das fand ich erst viel später heraus: Ich hatte 14 Schachteln mit gefrorenen Schrimps für die Familie Hubbard transportiert." [8]

Wie alle Scientologen träumte Goldstein seit langem davon L. Ron Hubbard zu treffen und als er dann endlich auf dem Schiff war, erfand er Entschuldigungen, um an Hubbards "Forschungszimmer" auf dem Promenadendeck vorbeizugehen; so konnte er dann einen Blick auf den grossen Mann an der Arbeit werfen. Er war erstaunt über die Masse an Papieren, die Hubbard durchzuarbeiten schien, jedoch wurden viele seiner vorgefassten Meinungen über die Sea Org alsbald erschüttert: "Man hatte mir gesagt, dass Flag [die Apollo] gleichbedeutend mit Perfektion war und dass jeder super-effizient war. Doch dann wurde ich zum Flag Finanz Offizier ernannt und das war nun wirklich ein heisser Stuhl: Die Finanzen des Schiffs waren ein einziger Schlamassel. Es gab überall Schubladen voller Geld und mehr als eine Million Dollar im Safe, doch keine entsprechenden Rechnungen. Wir zahlten alles in bar und arbeiteten mit drei verschiedenen Währungen – die spanische, portugiesische und marokkanische – und es schien mir, dass wenn jemand Geld brauchte, er einfach kam und darum fragte. Ich beschloss, dass eine ordentliche Buchführung her musste und sagte allen, dass sie erst über das ausgegebene Geld Rechenschaft ablegen müssten, bevor sie neues bekamen. Das Schiff, sie müssen das verstehen, war eine andere Welt. Es sollte Scientology für den ganzen Planeten betreiben, doch es war eigentlich eine Kosmos in sich selbst."

Es war auch eine Welt, die Hubbard ganz alleine gestaltet hatte, und jetzt fügte er ein bizarres neues Element hinzu – eine Eliteeinheit aus Kindern, die schliesslich als Commodore"s Messengers Unit bekannt wurde. Die CMO wurde bestückt mit den Sprösslingen ergebener Scientologen und ihre ursprüngliche, offensichtlich arglose Funktion war es einfach, dem Kommodore zu dienen, indem sie seine mündlichen Anordnungen an die Mannschaft und die Studenten an Bord der Apollo weiterleiteten. Doch die Messengers, hauptsächlich pubertierende Mädchen, erkannten und genossen bald ihre Macht als Teenager-Klone des Kommodore. In ihren hübschen, kleinen, dunkelblauen Uniformen mit goldenen Schnüren waren sie darauf trainiert worden, Hubbards Befehle in exakt dessen Worten und Tonfall zu überbringen; wenn er schlechter Stimmung war und herumbrüllte, flitzten die Messenger los und brüllten die Delinquenten genauso nieder. Niemand wagte es, die Aussagen eines Messenger infrage zu stellen; niemand wagte es, sich ihren Anordnungen zu widersetzen. Ausgestattet mit der Autorität des Kommodore wurden sie zu gefürchteten kleinen Monstern.

Ab 1970 betreuten die Messengers Hubbard bei Tag und Nacht, sie arbeiteten in 6stündigen Schichten rund um die Uhr. Wenn er schlief, sassen zwei Messenger draussen vor seinem Aufenthaltsraum und warteten auf den Summer, der signalisierte, dass er wach war. Während seiner wachen Stunden sassen sie vor seinem Büro und warteten auf seinen Ruf. Wenn er auf Deck herumspazierte, trug eine seine Zigaretten, eine andere einen Aschenbecher, um die fallende Asche aufzufangen. Jede Minute im Leben des Kommodore musste im Messengers Logbuch verzeichnet werden; hier stand, wann er aufwachte, ass, schlief, arbeitete und die Details jeder Nachricht, die er verkündet haben wollte.

Es war natürlich die höchste Ehre, zum Messenger ausgewählt zu werden; daher war es dann wohl auch verständlich, dass die Mädchen miteinander um die Gunst des Kommodore wetteiferten und Dinge erdachten um ihn zufriedenzustellen; sie sprangen auf, um ihm eine Zigarette anzuzünden, oder staubten ehrerbietig die einzelnen Blätter seines Schreibpapiers ab, insbesondere weil sie für diese kleinen Aufmerksamkeiten extra Punkte bekamen.

Doreen Smith war gerade 12 Jahre alt, ein schmächtiges Kind mit langem blonden Haar, grossen Augen und aufgeschmiertem Make-Up, unbeholfen aufgetragen, als sie im September 1970 auf den Azoren ankam, um auf der Apollo ihren Dienst anzutreten. Sie wurde in eine scientologische Familie hineingeboren und wollte Messenger werden, solange sie sich erinnern konnte. "Ich erinnere mich daran, wie ich auf meinem Gepäck auf dem Dock sass und das Schiff hinaufstarrte. Sie war das grösste Schiff im Hafen, ganz weiss gestrichen, mit diesen Goldletter "APOLLO" und sie machte einen gewaltigen Eindruck auf mich. Wir mussten auf dem Dock warten, um vom Medizin-Offizier untersucht zu werden. Ich erblickte LRH, jedenfalls glaubte ich ihn zu sehen, wie er mit der Hand auf ihrer Schulter vor einem jungen Mädchen stand, das einen glänzendblauen kurzen Pullover mit Goldkordel trug. Er gab ihr einen kleinen Schubs und sie rannte los, ein Deck nach dem anderen runter auf den Laufsteg, rutschte dort bis zum Ende des Stegs herunter und hiess uns im Namen des Kommodore willkommen. Es war das erste Mal, dass ich einen Messenger sah." [9]

Zwei Tage später bekam Doreen einen Vorgeschmack auf das Leben auf See. Der Wetterbericht hatte einen Hurrican angekündigt, der direkt auf die Azoren zuhielt. Es war zu gefährlich für ein Schiff von der Grösse der Apollo im Hafen zu bleiben – und es blieb keine Zeit mehr um ausserhalb der Reichweite des Hurricans zu fahren. Hubbard brachte das Schiff auf See und kreuzte im Windschatten der Insel auf und ab, mit jedem Wechsel der Windrichtung änderte er den Kurs. "Es war eine beeindruckende seefahrerische Leistung", sagte Hana Eltringham. "Ich war fast die ganze Zeit auf der Brücke und war wie versteinert. Der Tag war kaum von der Nacht unterscheiden, der Wind heulte beständig, und man konnte aufgrund der sich brechenden Wellen und der Gischt den Bug des Schiffes kaum sehen. LRH sass 36 Stunden lang ohne Unterbrechung am Radar, ausser wenn er zur Toilette ging. Er war die ganze Zeit sehr ruhig und versicherte jeden, dass alles gut ausgehen würde." [10]

Als der Hurrican vorbeigezogen war, wurde Doreen zum Geschirrabwaschen in der Kombüse eingeteilt, wo sie zuerst zum "befähigten Seemann", dann zum "Pagen" ausgebildet wurde, bevor sie für die CMO qualifiziert war. Sie musste vor einem Komitee von 14jährigen Messengers erscheinen, deren Einverständnis bekommen und Probeläufe machen bevor sie akzeptiert wurde. Der aufregendste Morgen in ihrem Leben kam, als man in Marokko mit ihr an Land ging um ihr eine Uniform zu kaufen – dunkelblaue Stretchhosen und einen blauen Uniformrock. "Ich war unglaublich aufgeregt", sagte sie. "Das war es, was ich schon immer gewollt hatte. LRH war mein Held. Wir hatten zuhause schon immer sein Bild an der Wand hängen gehabt und hörten immerzu seine Tonbänder. Ich war sein grösster Fan."

Hubbard genoss die Gesellschaft seiner doch sehr jungen Messenger so sehr, dass das die Beziehung zu seiner Frau und seinen Kindern belastete. Es war sowohl für Mary Sue wie für alle anderen an Bord offensichtlich, dass der Kommodore die Messenger seinen eigenen Kindern vorzog, auf die er wenig Zeit und Gedanken verschwendete. Diana, die älteste, hatte das Selbstvertrauen des Vaters geerbt und war von seinem Mangel an Aufmerksamkeit am wenigsten betroffen. Die damals 18jährige war eine der Gehilfen des Kommodore; diese "Gehilfen" stellten die Führungsebene direkt unter Hubbard dar. Sie war mit einem Sea Org Offizier verlobt und hatte an Bord den Ruf kalt und autoritär zu sein. Doch von den Messengers wurde sie wegen ihres brünetten Haars, ihrer Schönheit und ihres Status sehr bewundert. Sie nannten sie "Prinzessin Diana".

Keines der Kinder hatte seit ihrer Abreise aus England 1967 mehr die Schule besucht. Diana konnte, wenn sie auf der Brücke stand, ein Schiff effizient und zügig handhaben, doch sie las nichts weiter als Liebesromane und im Gespräch mit ihr konnte man erkennen, dass sie oft falsche Worte verwendete. Mit ihren neuesten Wortverwechslungen wurde sie oft zur Zielscheibe versteckten Spotts unter ihren Offizierskollegen.

Ihr Bruder Quentin war im Januar 1971 siebzehn Jahre alt und war tief unglücklich. Er arbeitete als Auditor, doch hatte er sich Zeit seines Lebens gewünscht Pilot zu werden und bettelte seinen Vater oft genug an, das Schiff verlassen zu können, um Flugstunden zu nehmen. Ruhig und introvertiert wie er war, wurde er hinter vorgehaltener Hand als "Weichling" bezeichnet, denn niemand wollte laut aussprechen, was alle vermuteten – dass er nämlich homosexuell war. Hubbards Abscheu für Homosexuelle war in seinen umfangreichen Schriften nur zu gut dokumentiert; daher gab es auch keinen Scientologen, der es je wagen würde, mit ihm darüber zu sprechen, dass die sexuelle Orientierung seines Sohnes zweifelhaft war.

Suzette und Arthur hatten mit der Situation weniger Probleme. Suzette war fünfzehn, ein fröhlicher, unkomplizierter Teenager mit einem Sinn für Humor und ohne den Elan und die Ambitionen ihrer grossen Schwester. Sie wurde auf dem Schiff von einem Posten zum anderen geschickt, machte ihre Sache halbwegs gut und zeigte keine Absichten, in die Führungsebene aufsteigen zu wollen. Alle Kinder hatten wie die übrige Crew ihre Wachdienste – man konnte sich darauf verlassen, dass sie rechtzeitig zu Dienstantritt da war. Nicht so ihr zwölf Jahre alter Bruder Arthur, der sich oft weigerte aus dem Bett zu kriechen, wenn er für die Nachtwache eingeteilt war. Wenn sein Vorgänger seine Schicht beendet hatte und ihn dann zu wecken versuchte, drohte er damit, Lärm zu machen und seinen Vater zu wecken. Und jeder, der Hubbard aufweckte, hatte ein ernstes Problem am Hals. So war es oft weniger mühsam, Arthurs Schicht auch noch zu übernehmen, als zu riskieren, den schlummernden Kommodore aufzuwecken.


Arthur wurde allgemein als "kleiner Terrorist" bezeichnet – er tobte auf dem Schiff herum, wie es ihm beliebte, stellte Unfug an wie Wasserkübel in besetzte Toiletten hineinzuwerfen – ohne Angst davor zur Rechenschaft gezogen zu werden. Doch gab es auch Momente, in denen selbst der ungestüme Arthur ein Gefühl des Verlustes verspürte. Doreen Smith und Arthur waren im gleichen Alter und die dicksten Freunde. "Er sagte oft zu mir, dass er sich wünschte, dass sein Vater mehr Zeit für ihn hätte", sagte Doreen. "Ich glaube, wir kamen alle früher oder später an den Punkt, wo wir uns ein normaleres Leben wünschten."

Arthurs spezieller Aufgabenbereich an Bord war, auf die Motorräder seines Vaters zu schauen, vor allem auf eine riesige Harley Davidson, die Hubbard von der Org in Toronto geschenkt bekommen hatte. Eines Nachmittags trug der Kommodore Doreen auf, sie solle sich vergewissern, dass er die Harley blitzblank geputzt hatte; sie sollte mit einem Taschentuch über die Schutzbleche und den Tank fahren und es dann zu ihm zurückbringen, um es ihm zu zeigen. Sie kam mit einem schwarzen Schmutzfleck auf dem Taschentuch zurück. Hubbard war erbost. "Du gehst und weist ihm "liability" zu", schrie er Doreen an, "er erfüllt seine Pflicht nicht."

Doreen war erleichtert, dass Arthur die Reaktion seines Vaters auf die leichte Schulter nahm; auch schien es ihm nichts auszumachen, einen grauen Fetzen um seinen Arm zu tragen. Doch das war noch nicht das Ende der Angelegenheit. Mary Sue, die wild darauf bedacht war, ihre Kinder zu schützen, hatte das Gefühl, es wäre Doreens Fehler, dass Arthur diesen Zustand zugewiesen bekommen hatte. Später an diesem Nachmittag packte sie sie am Arm und rüttelte sie durch: "Du kleines Scheusal", zischte sie und grub dabei ihre Fingernägel in den Arm des Mädchens, "du zerstörst meine Familie."

Die Messenger waren jedoch sehr loyal untereinander. Während Doreen immer noch schluchzte, rannte eines der Mädchen zum Kommodore und erzählte ihm, was passiert war. Als Doreen dann auf ihren Posten vor Hubbards Büro zurückkehrte, sah sie Mary Sue eintreten und ihn dann brüllen: "Schliess die verdammte Tür!" Durch die gravierten Gläser konnte sie Mary Sues Silhuette vor dem Schreibtisch stehen sehen, während der Kommodore sie anschnautzte. Doreen konnte nicht alles verstehen, was er sagte, doch sie konnte ihn aus vollem Hals brüllen hören "Niemand massregelt meine Messenger, ist das klar?" Mary Sue murmelte eine Zustimmung. "Ja, was?" brüllte er wieder. "Ja, mein Herr." antwortete sie schlau. Draussen mussten sich die Messenger überwinden, ihr Ohr nicht ans Schlüsselloch zu pressen, doch sie hatten genug gehört um ganz aufgeregt zu sein.


[Teenagers Arthur and Doreen with rifles]
Arthur Hubbard und Doreen Smith, eine der Messengers, bei Schiessübungen in der kalifornischen Wüste. Arthur sammelte wie sein Vater Gewehre.

Ein paar Monate später verärgerte Diana ihren Vater auf irgendeine Weise. Hubbard leierte einen langen Verweis für sie runter, den der Messenger zu überbringen hatte und fügte dann am Ende hinzu: "Ok, und jetzt geh und "Spuck ihr ins Gesicht." Der Messenger war ein kleines dunkeläugiges Mädchen namens Jill Goodman; sie war dreizehn Jahre alt. Sie rannte das Deck entlang zu Dianas Büro, platzte hinein und spuckte ihr mitten ins Gesicht, bevor sie dann ihre Nachricht losbrüllte. Diana fing wie wild zu schreien an. Mary Sue, die sich gerade im angrenzenden Büro befunden hatte, stürmte herein, als sich ihre Tochter gerade die Spucke aus dem Gesicht wischte. Sie packte Jill am Hals, als ob sie sie erwürgen wollte, und fing ebenfalls zu kreischen an. Jill begann zu weinen, und sobald Mary Sue sie losliess, rannte sie zum Kommodore um ihm Bericht zu erstatten. Es folgte ein weiterer erbitterter Streit zwischen den Eheleuten, der damit endete, dass Mary Sue ihre Schuhe nach dem unglückseligen Messenger warf.

Der Kommodore war bald darauf in ein weiteres häusliches Drama verwickelt, das jedoch völlig anderen Natur war und ganz überraschend kam. Er erhielt Nachrichten aus Los Angeles, dass seine Tochter Alexis Kontakt mit ihm aufnehmen wollte. Die inzwischen 21jährige Alexis lebte mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater Miles Hollister auf der Hawaii-Insel Maui. Obwohl ihre Mutter nur selten über ihren Vater gesprochen hatte – Sara hatte immer noch Angst vor ihrem ersten Mann und sah ihre Scheidung als eine geglückte Flucht aus seinen Fängen an – hatte Alexis doch genug über L. Ron Hubbard gelesen, um ihn als eine Art romantischer Figur zu sehen. Sie war natürlich neugierig, ihn zu treffen. Anlässlich eines Besuches in England 1970 rief sie in Saint Hill an in der Hoffnung ihn zu sehen, musste jedoch enttäuscht hören, dass er nicht anwesend war. Ein Jahr später, während der Sommerferien ihres College, schrieb sie ihm via die Scientology Church in Los Angeles.

Als Alexis an ihr College in den USA zurückkehrte, hörte sie, dass ein Mann sie in einem örtlichen Motel erwartete, der sie zu treffen wünschte. Sie lud ihn zu sich ins Studentenheim ein, wo er sich als Bote von L. Ron Hubbard vorstellte und sagte, er hätte ihr eine Erklärung vorzulesen. Während sich Alexis wie benommen niedersetzte, las ihr der Mann die Erklärung vor, in der Hubbard kategorisch abstritt, ihr Vater zu sein: "Deine Mutter war gegen Ende des Jahres 1948 in Savannah als Sekretärin bei mir ... Im Juli 1949 war ich in Elizabeth, New Jersey, und schrieb an einem Film. Dort tauchte sie dann mittellos und schwanger auf." Hubbard deutete an, dass Jack Parsons ihr Vater war, doch aus Grossherzigkeit hatte er ihre Mutter aufgenommen, um ihr in "ihren Schwierigkeiten" beizustehen. Später, so behauptete er weiter, kam er von Palm Springs, Kalifornien, herauf, wo er damals lebte und fand Alexis verlassen vor; sie war erst ein Kleinkind, ein "süsses kleines Ding", und so hatte er sie zwei Jahre lang auf seinen Reisen mitgenommen.

Hubbard teilte Alexis mit, dass ihre Mutter im zweiten Weltkrieg ein Nazi-Spion gewesen war und mutmasste, dass diese ganze Sache mit der Scheidung ein fadenscheiniges Täuschungsmanöver ihrerseits war, um die Kontrolle über Scientology zu bekommen – "Sie [Sara und Miles Hollister] hatten eine beträchtliche Publicity in den Zeitungen, nichts davon ist übrigens wahr, und heuerten den teuersten Scheidungsanwalt der USA an um mich zu verklagen und dann im Vergleich die Stiftung in Los Angeles zu bekommen. Dies erwies sich als Rätsel, denn wenn es keine legale Heirat gab, dann kann es auch keine Scheidung geben."

Als der Mann seinen Vortrag beendet hatte, fragte er Alexis, ob sie Fragen hätte. Sie fragte mit dünner Stimme, ob sie die Erklärung sehen könnte. Er lehnte ab. Mit letzter Beherrschung sagte sie zu ihm, dass das, was sie soeben gehört hatte, sich von selbst erkläre und bat ihn zu gehen. Alexis unternahm keine weiteren Versuche, ihren Vater zu sehen. [11]



Um diese Zeit begann eine andere junge Frau dem Kommodore Probleme zu verursachen. Susan Meister, eine 23-jährige Frau aus Colorado, war im Februar 1971 zur Mannschaft der Apollo gestossen; sie war durch Freunde zu Scientology gekommen, als sie in San Francisco gearbeitet hatte. Als sie auf dem Schiff ankam, war sie eine typische eifrige und optimistische Bekehrte; sie schrieb oft nach Hause und drängte ihre Familie, Scientology ebenfalls beizutreten. "Ich hatte gerade eine Auditing Session", schrieb sie am 5. Mai. "Ich fühle mich grossartig, grossartig, grossartig und mein Leben expandiert, expandiert und es ist alles Scientology. Beeilt euch! Macht schnell, schnell. Seid gut zu euch – fangt noch heute damit an. Es ist wertvoller als Gold, es ist das beste, was euch jemals, jemals, jemals passieren kann. Mit Liebe – Susan"

In ihrem nächsten Brief vom 15. Juni hatten die Verschwörungstheorien des Kommodore offensichtlich schon Eindruck auf sie gemacht. "Ich kann euch nicht genau sagen, wo wir sind. Wir haben Feinde, die ... nicht wollen, dass wir Erfolg haben und den Menschen hier auf diesem Planeten Freiheit und Selbst-Bestimmtheit zurückgeben. Wenn diese Leute herausfinden würden, wo wir uns gerade befinden, würden sie versuchen uns zu zerstören.... "

Zehn Tage später, als die Apollo im marokkanischen Hafen Safi vor Anker lag, sperrte sich Susan Meister in ihrer Kabine ein, presste einen 22er Revolver an ihre Stirn und drückte ab. Man fand sie um 19.35 auf ihrem Bett liegend; sie trug das Kleid, das ihr ihre Mutter zum Geburtstag geschickt hatte, hatte ihre Arme gekreuzt und den Revolver auf ihrer Brust. Ein Abschiedsbrief lag auf dem Fussboden.

Die lokale Polizei wurde verständigt, doch alarmierte der Tod eines amerikanischen Bürgers unvermeidlicherweise auch das amerikanische Konsulat und setzte die Apollo damit genau der Aufmerksamkeit aus, die Hubbard seit Jahren zu vermeiden versucht hatte. In Befolgung von Hubbards oft wiederholter Doktrin ging die Sea Org zum Angriff über. Susan Meister, die auf ihre Freunde eher ruhig und reserviert wirkte, wurde als instabile ehemalige Drogenabhängige porträtiert, die schon mehrere Selbstmordversuche unternommen hatte; Peter Warren, der Kapitän der Apollo, deutete an, dass kompromittierende Photos von ihr gefunden worden waren.

Diese Verleumdungstaktik wurden alsbald auch auf William Galbraith, den US Vizekonsul in Casablanca, ausgeweitet, der nach Safi gekommen war, um Nachforschungen zu dem Vorfall anzustellen. Am 13. Juli hatte er ein Mittagessen mit Warren und Joni Chiriasi, einem anderen Crewmitglied, im Sidi Bouzid Restaurant in Safi und wurde dann auf dem Schiff herumgeführt. Danach schrieben sowohl Warren als auch Chiriasi eidesstattliche Erklärungen, die Galbraith vorwarfen, das Schiff bedroht zu haben – "Er sagte, dass Nixon die CIA beauftragen würde, das Schiff zu versenken oder anderswie zu sabotieren, wenn es zu einem Ärgernis oder einer Peinlichkeit für die Vereinigten Staaten werden würde". Galbraith hatte zudem angeblich über die Scientology Church gesagt, dass das ein "Haufen Verrückter" wäre und spekuliert, dass das Schiff möglicherweise als Bordell oder Casino oder für Drogentransporte genutzt würde.

Am nächsten Tag schickte Norman Starkey, der Kapitän der Apollo, Kopien der eidesstattlichen Erklärungen an das Senatskomitee für ausländische Beziehungen – zusammen mit einem Begleitbrief, in dem er sich darüber beschwerte, dass Galbraith damit gedroht hatte, "die Besatzung des Schiffes – 380 Männer, Frauen und Kinder, von denen viele Amerikaner sind – zu ermorden." Weitere Briefe gingen an den Generalbundesanwalt John Mitchell und an den Geheimdienst, und Kopien dieser sämtlichen Briefe an den Präsidenten Nixon, der gerade im Watergate Skandal versank.

Einige Tage später traf Susan Meisters Vater in Casablanca ein, um Nachforschungen über den Tod seiner Tochter anzustellen. Doch kam er aufgrund des Desinteresses der marokkanischen Behörden nicht vom Fleck, die sich mehr für einen kürzlich versuchten Staatsstreich interessierten als für einen einsamen Amerikaner, der sich nach seiner Tochter erkundigte. Meister, der sich weigerte zu glauben, dass seine Tochter Selbstmord begangen hatte, konnte nicht einmal herausfinden, wo ihr Körper beigesetzt wurde und so wandte er sich in seiner Verzweiflung an Hubbard um Hilfe.

Später schrieb er einen entmutigenden Bericht von seinem Besuch an Bord des Schiffes, bei dem er von Peter Warren eskortiert worden war: "Wir kamen durch die bewachten Tore aufs Hafengelände und konnten dann einen ersten Blick auf Hubbards Schiff Apollo werfen. Es schien alt zu sein; als wir das Schiff betraten, salutierten uns die Mädchen an Bord. Alle trugen zivile Arbeitskleidung. Die meisten war ziemlich jung. Auf dem Schiff zeigte man uns als erstes das Heck, das als Leseraum benutzt wurde; dort sassen mehrere Leute in Sesseln und lasen Bücher. Die Erwähnung von Susan schien den Leuten an Bord zu missfallen ... man zeigte uns Susans Quartier auf den unteren Decks im Heck des Schiffs, wo ungefähr 50 Leute in Bretterkojen schliefen: Susan hatte in ihrem Brief erwähnt, dass sie eine Kabine ganz vorne mit einer weiteren Person teilte. Dann zeigte man uns die Kabine neben der des Lotsen, wo der angebliche Selbstmord stattgefunden hatte... Mehr durften wir nicht sehen. Ich bat um ein Gespräch mit Hubbard, da er ja zu dieser Zeit an Bord war. Warren sagte, dass er nachfragen würde. Er kam nach etwa einer halben Stunde zurück und sagte, dass Hubbard es abgelehnt hatte, mich zu treffen."

Nach seiner Rückkehr nach Amerika entdeckte Meister zu seiner Überraschung (die dann in Verärgerung umschlug), dass seine Tochter schon begraben worden war, noch bevor er in Marokko eingetroffen war. Er liess den Körper exhumieren und zurück in die USA bringen, doch bevor die sterblichen Überreste von Susan Meister ihre letzte Ruhe finden konnten, wurde noch ein letzter schmutziger Trick gespielt: Meister zuständige lokale Gesundsheitsbehörde in Colorado bekam einen Brief, in dem vor einer Cholera-Epidemie in Marokko gewarnt wurde, die bis dahin angeblich 200-300 Opfer gefordert hatte. "Ich wurde darauf aufmerksam gemacht", so der verleumderische Brief, " dass die Tochter eines George Meister in Marokko gestorben ist, entweder durch einen Unfall oder durch die Cholera – vermutlich jedoch das letztere." [12]


Anfang 1972 wurde Hubbard krank, plötzlich und unerklärlich. Seine Krankheit liess sich nicht diagnostizieren und zeigte sich in einer verwirrenden Reihe von Symptomen. Gegen Ende Januar schickte der Kommodore eine pathetische Notiz an den ärztlichen Offizier des Schiffs, Jim Dincalci: "Jim, ich glaube, ich komm nicht durch."

Dincalci, der auf der Basis einer sechsmonatigen Erfahrung als Krankenpfleger vor seinem Eintritt in Scientology zum ärztlichen Offizier ernannt worden war, wusste nicht, was er tun sollte. Er war zutiefst schockiert gewesen, als er 1970 auf dem Schiff angekommen war und sah, dass Hubbard genauso wie andere Sterbliche einfach krank wurde; denn er hatte doch das Dianetik-Buch gelesen, in dem es hiess, dass man die meisten Leiden mit der Kraft des Geistes heilen konnte. In seiner ersten Woche als ärztlicher Offizier begann Hubbard sich darüber zu beklagen, dass er sich unwohl fühlte; Dincalci war sehr überrascht, als ein Doktor gerufen wurde. Er verschrieb eine Reihe von Schmerztabletten und Antibiotika, doch kümmerte sich Dincalci natürlich nicht darum, sie aus der Apotheke zu holen; er war davon überzeugt, dass Ron sie nicht brauchen würde. "Ich dachte", so sagte er, "dass er als Operierender Thetan seinen Körper und seine Schmerzen völlig unter Kontrolle hätte. Doch als er entdeckte, dass ich seine Schmerztabletten nicht besorgt hatte, rastete er aus und begann mich anzuschreien." [13]

Aus Angst, einen weiteren Fehler zu machen, suchte Dincalci wegen der Krankheit des Kommodore bei Otto Roos um Rat, einer der in der "Tech" weitest fortgeschrittenen Scientologen an Bord. Roos wagte es, die Meinung zu vertreten, dass das Problem von einem Ereignis in der Vergangenheit stammte, das nicht ordnungsgemäss auditiert worden war. Der einzige Weg das herauszufinden war, sich durch alle Ordner zu wühlen, in denen Rons Auditing Sessions aufgezeichnet waren.

Hubbard erklärte sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden und fügte an Otto Roos gewandt hinzu: "Ich bin erfreut, dass endlich mal jemand die Verantwortung für mein Auditing übernimmt." Roos fing also an, die Ordner aus Saint Hill sowie allen anderen Scientology Niederlassungen in den USA anzufordern, in denen Hubbard auditiert worden war. Es gab Hunderte davon, die bis ins Jahr 1948 zurückreichten; Roos kalkulierte, dass sie übereinander gelegt einen Stapel von an die 2,50 m Höhe ergeben würden. Er begann also, sich durch die Ordner durchzuarbeiten und entdeckte dabei zu seiner Beunruhigung diverse "zweifelhafte Anzeigen" – Momente, bei denen das E-Meter enthüllte, dass Hubbard etwas zu verstecken hatte.

Gegen Ende März, während Roos immer noch über den Ordnern brütete, kam ein Messenger in seine Kabine und teilte ihm mit, dass der Kommodore alle seine Ordner sehen wollte. Roos war perplex: Es gab ein unverrückbares Gesetz in Scientology, dass absolut niemand, wer auch immer er sei, seine eigenen Ordner sehen durfte. Er sagte also dem Messenger, dass dies nicht möglich sei. Ein paar Minuten später flog die Tür auf, zwei kräftige Crewmitglieder stürzten herein, packten die Aktenschränke und schwankten mit ihnen hinaus.

Es vergingen zwei Tage, dann erhielt Roos von einem Messenger die Nachricht, dass der Kommodore ihn sehen wollte. Sobald der Holländer Hubbards Büro betrat, konnte man sehen, dass der Kommodore eine plötzliche Heilung erlebt hatte. Hubbard sprang mit einem Brüller von seinem Schreibtisch auf und holte zu einem Faustschlag aus, der von einem wilden Tritt gefolgt wurde. Er schrie derartig wild herum, dass Roos nicht ausmachen konnte, was er eigentlich sagen wollte; er verstand nur, dass es etwas mit den "zweifelhaften Anzeigen" zu tun hatte. Mary Sue sass mit versteinertem Gesicht im Büro und schaute zu. Als Hubbard sich ein wenig beruhigt hatte, wandte er sich an sie und fragte sie in ihrer Eigenschaft als sein Auditor, ob er jemals "zweifelhafte Anzeigen" gehabt hatte. Mary Sues Ausdruck veränderte sich nicht. "Nein Sir", sagte sie, "Sie hatten niemals derartige Anzeigen."

Roos konnte Ordner sehen, die zerzaust auf Hubbards Schreibtisch lagen; sie waren dort geöffnet, wo er die "Anzeigen" notiert hatte, deren Existenz Mary Sue gerade abgestritten hatte. Er sagte nichts. Hubbard schritt aufgebracht durch den Raum und schnaubte, dass Roos "unzweifelhaft dem ganzen Schiff davon erzählt hatte" und dass jetzt alle darüber redeten und lachten. Tatsächlich jedoch hatte Roos niemandem davon erzählt, doch das bewahrte ihn nicht davor, unter Kabinenarrest gestellt zu werden.

Nachdem er aus dem Büro entlassen worden war, ging Mary Sue des öfteren mit verschiedenen Ordnern hinunter zu seiner Kabine und versuchte die "zweifelhaften Anzeigen" hinwegzuerklären. Er habe veraltete Tech verwendet, so sagte sie, "und hätte das wissen sollen". Später kam auch Diana Hubbard vorbei, riss Roos" Tür auf, schrie "Ich hasse Dich, ich hasse Dich!" hinein und stelzte wieder davon. [14]

Während dieses ganzen Dramas lag die Apollo in Tanger vor Anker. Mary Sue war sehr beschäftigt mit der Möblierung und Ausstattung eines modernen terassenförmig angelegten Hauses, der Villa Laura, auf einem Hügel in den Vorstädten von Tanger. Die Hubbards planten für eine Weile an Land zu gehen, während das Schiff zur Überholung auf ein Trockendock musste; Mary Sue freute sich darauf.

Hubbard träumte immer noch von einem freundlichen kleinen Land, in dem Scientology wachsen und gedeihen (um nicht zu sagen, die Kontrolle übernehmen) konnte und er hatte begonnen, begehrliche Blicke auf Marokko zu werfen, in dessen Atlantik-Häfen er regelmässig vor Anker ging, seit er das Mittelmeer verlassen hatte. Die marokkanische Monarchie war in der Krise und Hubbard hatte das Gefühl, dass König Hassan die Hilfe von Scientology willkommen heissen würde, die es ihm ermöglichen würde, Verräter unter seinen Leuten zu identifizieren. Dann würde sich der König bestimmt entsprechend grosszügig zeigen.

Einige Monate zuvor hatte die Sea Org eine Basis an Land in einer kleinen Ansammlung von Bürogebäuden auf der Strasse zum Flughafen ausserhalb Tangers eingerichtet. Die Aufstellung einer Hinweistafel an der Strasse, die in englisch, französisch und arabisch die Ankunft der "Operation and Transport Corporation Limited, International Business Management" ankündigte, zog sofort die Aufmerksamkeit von Howard D. Jones, dem örtlichen amerikanischen Generalkonsul, auf sich. Sein Interesse wurde nur noch grösser, als er ein paar Tage später bei einer Party in Tanger ein nervöses amerikanisches Mädchen traf, die zugab für die OTC zu arbeiten, doch nichts weiter darüber sagte. "Ich bin im Auftrag einer panamesischen Gesellschaft hier", sagte sie, "doch das ist alles, was ich ihnen sagen kann."

Nichts hätte den Konsul noch mehr anspornen können, weitere Nachforschungen anzustellen. Er kam bald auf die Verbindung zwischen der OTC, dem "rätselhaften Schiff" Apollo und L. Ron Hubbard, dem Gründer von Scientology, doch entdeckte er wenig mehr, wie aus einem frustrierten Telegramm an Washington vom 26. April 1972 zu entnehmen ist: "Man weiss hier wenig über die Geschäfte der "Operation and Transport Corporation" und deren Offizielle geben sich undefinierbar über das eigentliche Geschäftsfeld. Jedoch nehmen wir an, dass die Scientologen an Bord der Apollo und in Tanger das tun, was Scientologen anderswo ebenfalls tun."

"Es gab Gerüchte in der Stadt, dass die Apollo in Drogen- oder weissen Sklavenhandel involviert wäre. Jedoch bezweifeln wir diese Berichte ... Die Geschichten über weissen Sklavenhandel rühren unzweifelhaft von der Tatsache her, dass es unter der Besatzung der Apollo eine grosse Anzahl auffallend hübscher junger Mädchen gibt. Doch sind wir skeptisch, dass ein Schiff, das wie ein wunder Finger hervorsteht und beträchtliches Interesse entfacht, mit einer Crew von mehreren Hundert Mitgliedern das geeignete Fahrzeug für Schmuggel oder weissen Sklavenhandel wäre." [15]

Der US-Konsul jedoch, obwohl er es nicht wissen konnte, schaute in die falsche Richtung. Auf dem Schiff selbst passierte nur wenig, was für Washington von Interesse sein konnte, doch an Land passierte dafür eine ganze Menge. Die Operation and Transport Corporation versuchte sich hartnäckig Eintritt in die marokkanische Bürokratie zu verschaffen, ohne sich von diversen Rückschlägen beirren zu lassen. Die Corporation erwarb sich einen ungünstigen Stand, indem sie einen Vertrag mit der Regierung zur Ausbildung von Postangestellten abschloss – auf Basis der Versicherung, dass die scientologischen Techniken ihre Ausbildung beschleunigen würden. Doch dieses Pilotprojekt schlug bald fehl. "Wir übernahmen die eine Hälfte der Studenten, während die andere Hälfte auf traditionelle Art ausgebildet wurde", sagte Amos Jessup. "Wir verbrachten einen Monat damit, sie verschiedene Studiertechniken zu lehren, doch sie befürchteten, dass die anderen ihnen weit voraus waren und schon Details ihrer Arbeit auf dem Postamt lernten, sodass sie schliesslich einfach wegblieben."

Jessup, der französisch sprach, führte den nächsten Angriff der OTC aus – ausgerechnet auf die marokkanische Armee. Er und Peter Warren freundeten sich mit einem Oberst aus Rabat an und demonstrierten ihm die Funktionsweise des E-Meter. "Er war entsprechend beeindruckt", sagte Jessup, "und arrangierte für uns eine Vorführung bei einem General, der angeblich mit dem Verteidigungsminister befreundet und zudem die rechte Hand des Königs war. Man brachte uns zu seinem gigantischen, luxuriösen Haus, wo wir ein paar Drills vorführten. Der General sagte, er wäre sehr interessiert und würde auf uns zurückkommen. Wir warteten in einem kleinen Apartment in Rabat, das die Sea Org für uns gemietet hatte, doch hörten wir nichts mehr von ihm, also gingen wir wieder zurück auf das Schiff. Kurz danach führte dieser General einen missglückten Staatsstreich an und beging daraufhin Selbstmord. Da wurde uns klar, dass er mit dem König nicht über das E-Meter gesprochen hatte."

Eine andere OTC Mission beim marokkanischen Geheimdienst war erfolgreicher; dort wurde ein Trainingskurs für Polizeioffiziere und Geheimagenten gestartet. Man zeigte ihnen, wie sie das E-Meter benutzen konnten, um politisch motivierte Staatsfeinde zu entdecken. Inzwischen brach die Apollo für eine Überholung nach Tanger auf und Mary Sue und Ron zogen in die Villa Laura in Tanger. Hubbard schien seltsam bedrückt; Doreen Smith berichtete, dass er oft davon sprach, "seinen Körper zu verlassen"; das war in der Scientologen-Sprache gleichbedeutend mit Sterben.

Als loyale Ehefrau nahm es Mary Sue auf sich, sich um eine der Quellen für das Ungemach ihres Mannes zu kümmern – seinem entfremdeten Sohn Nibs. Nachdem er 1959 "aus der Org abgehauen" war, war ihm das Glück nicht hold gewesen. Er war von einem Job zum nächsten gewandert und hatte immer grössere Schwierigkeiten, seine Frau und seine sechs Kinder über Wasser zu halten. Als ihm dann schliesslich klar wurde, dass er niemals zu Scientology zurückkehren würde können, wurde er ein um so prominenterer Kritiker seines Vaters und dessen "Church". Als die Church mit der amerikanischen Steuerbehörde IRS im Rechtsstreit lag, sagte Nibs zugunsten der IRS aus.

Im September 1972 startete Mary Sue eine Kampagne um Nibs zu "handhaben". Alle Sea Org Akten mussten durchsucht werden; das Schutzbüro (Guardians Office) wurde angewiesen, dasselbe zu tun. Sie erzählte einem Helfer, dass Nibs "grosser Problempunkt" Geld war und dass jetzt die Zeit gekommen war, die alten Akten zu durchforsten um mögliche frühere Beschwerden über ihn auszugraben. [16]

Die Church enthüllte nie, was sie über den Sohn ihres Gründers herausgefunden hatte, doch am 7. November nahm Nibs ein Videointerview mit einem Vertreter der Church auf, in dem er seine IRS Zeugenaussage und alle weiteren Anschuldigungen zurückzog, die er zuvor gegen seinen Vater erhoben hatte. Er hatte diese Aussagen "aus Rache" zu einer Zeit getätigt, so erklärte er, als er unter grossem persönlichem und emotionalem Stress stand: "Was ich gemacht habe, war Lügen zu verbreiten; damit habe ich viel Schaden bei einer Menge Leute angerichtet, die ich sehr schätze."

"Ich liebe meinen Vater, Blut ist dicker als Wasser, und vielleicht klingt das für einige Leute komisch, doch mir bedeutet es viel, dass Blut dicker als Wasser ist. Weiters habe ich einige ziemlich üble Sachen über die Sea Org gesagt, doch nichts davon ist wahr. Ich persönlich weiss nichts über Fehlhandlungen oder illegale Aktivitäten, Brutalitäten oder irgendetwas in dieser Richtung, die die Sea Org oder irgendwelche anderen Scientology-Mitglieder begangen haben."

In der Villa Laura in Tanger hatte Hubbard wenig Zeit über die Liebeserklärung seines Sohnes nachzudenken. Tatsächlich war es wahrscheinlicher, dass er über die seltsame Unvermeidlichkeit nachdachte, mit der seine Pläne im Desaster endeten. Der OTC Trainingskurs für die marokkanischen Geheimpolizisten brach unter dem Druck von vernichtenden Intrigen zwischen Pro- und Contra-Monarchisten und deren Furcht vor den Enthüllungen des E-Meter in sich zusammen. "Es war eine verrückte Konstellation", sagte Jessup, "man konnte nicht sagen, wer auf welcher Seite stand."

Die Sea Org hätte diese Komplikationen vermutlich noch abwehren und entwirren können, wären nicht Gerüchte aus Paris zu hören gewesen, dass die Scientology Church in Frankreich wegen Betrugs angeklagt würde. Es gab Anspielungen, dass französische Rechtsanwälte Hubbards Auslieferung von Marokko verlangen würden, damit er sich vor einem französischen Gericht verantworten würde können.

Der Kommodore traf die Entscheidung, dass es wieder einmal Zeit war zu gehen. Es gab eine Fähre, die Tanger 48 Stunden später Richtung Lissabon verliess: Hubbard ordnete an, dass das gesamte Personal abreisen sollte, zusammen mit dem ganzen beweglichen Eigentum des OTC und jedem Fetzen Papier, der nicht geschreddert werden konnte. Die nächsten zwei Tage konnte man Konvois von Lastwagen, Personenwagen und Motorrädern beobachten, die Tag und Nacht zwischen der "Landbasis" des OTC in Marokko und dem Hafen von Tanger hin und her hasteten.

Als die Fähre nach Lissabon am 3. Dezember 1972 aus dem Hafen von Tanger auslief, blieb gar nichts mehr von der Scientology Church in Marokko. Hubbard hinterliess lediglich einen Haufen geschreddertes Papier, eine Anzahl wild wuchernder Gerüchte und eine Gruppe konfus gemachter US Konsularbeamter.


Last updated: January 08, 2011

[1] Interview with Ken Urquhart, Maclean, VA., April 1986
[2] Los Angeles Times, 29 August 1970
[3] The Guardian, 12 February 1980
[4] Guardian Order, 16 December 1969
[5] Flag Order no. 1890, 26 March 1969
[6] Affidavit of Gerald Armstrong, 16 March 1986
[7] Testimony, Armstrong v. Church of Scientology, 1984
[8] Interview with Michael Goldstein, Denver, CO, March 1986
[9] Interview with Doreen Gillham, Malibu, CA, August 1986
[10]
Interview with Eltringham
[11] Letter from Sara Hollister; Testimony Armstrong v. Church of Scientology, 1984
[12] Jon Atack Arcihives
[13] Interview with Jim Dincalci, Berkeley, CA, August 1986
[14] The O.J. Roos Story, 7 September 1984
[15] Los Angeles Times, 29 August 1978
[16] Letter from Mary Sue Hubbard to Jane Kember, 2 September 1972


Im englischen Original spricht der Autor dieses Buches von "Church", was in diesem Text als "Kirche" übersetzt werden könnte. Das würde aber im deutschen Text eine Aufwertung der Scientology Organisation bedeuten. Church bedeutet aber in den USA nicht unbedingt immer eine Kirche im herkömmlichen Sinn, sondern unter anderem auch eine Versammlung von Gemeindemitgliedern. Im Deutschen bedeutet Kirche "dem Herrn gehörig" (griech. kyriaké, althochdt. kiricha) und daher ist der Begriff Kirche in der deutschen Übersetzung nicht verwendbar.



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