Von einem destruktiven Kult kann man sprechen...


dieser bisher im Internet unveröffentlichte Text wurde mir von einer sehr lieben
Ex-Scientologin mit der Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben


wenn an einer Gruppe mehrere der genannten Charakteristika festzustellen sind:

Die Gruppenstruktur:

  • Die Gruppe versteht sich als "organische Gesamtheit" - wenn ein Einzelner den Gruppenzielen zuwider handelt, bedeutet das einen empfindlichen Rückschlag für die gesamte Gemeinschaft; u.ä.
  • Sie ist streng hierarchisch gegliedert (mit einem "allmächtigen" Führer an der Spitze) - es fehlt jedes demokratische Gegengewicht bzw. andere Formen der Machtkontrolle.
  • Daraus wird das "Enthüllungsprinzip" logisch abgeleitet; man hat keine Chance von Anfang an das Ganze zu durchschauen; mit jeder ("höheren") Stufe eröffnen sich neue Einblicke (die man (erst) dann auch bereit ist zu akzeptieren).
  • Während die "Mächtigen" unkontrolliert bleiben, unterliegen die "Machtlosen" einer möglichst umfassenden Kontrolle: einerseits durch Spitzelwesen, durch ausgeklügelte Systeme von (auch ideellen) Belohnungen und Bestrafungen u.ä., andererseits durch die Mechanismen der Mind-control (siehe unten)
  • Der pyramidenförmigen Struktur folgt auch das Verteilungssystem: Arbeit von oben nach unten, Geld von unten nach oben.

Das Weltbild:

  • Ganz typisch ist ein ausgeprägtes Elitebewusstsein (der Gruppe wird in jeder Hinsicht eine unverhältnismässige Bedeutung im Weltganzen zugemessen), das auch drastische Massnahmen gegen Kritiker und Gegner rechtfertigt.
  • Die Überzeugung, im Besitz der EINZIGEN Wahrheit zu sein; die Fähigkeit zu haben, Unmögliches zu erreichen (Geistreisen, Telekinese, Freiheit von ("negativen") Emotionen,...) führt zu entsprechend geringschätzigen und ablehnenden Urteilen über andere Denkrichtungen bis zum Aufbau von Feindbildern. Legitimiert werden diese Haltungen durch:
  • Die Berufung auf den "allweisen" Führer, der als "Auserwählter" absoluten, unkritischen Gehorsam so wie bedingungslose Treue und totalen Einsatz fordern darf.
  • Folgerichtig werden demokratische Prinzipien abgelehnt oder sogar verteufelt. Die gegenwärtige Gesellschaft soll im Sinn der Gruppe verändert und kontrolliert werden. (Diese Veränderung geht auf jeden Fall in eine antidemokratische/totalitäre Richtung!)
  • Kennzeichnend ist auch die typische Reduzierung komplexer Zusammenhänge auf ja/nein- schwarz/weiss-Raster und fixe Denkschemata, wobei
  • das Leugnen physischer u./o. sozialer Bedingtheiten und deren Umdeutung in einfaches Belohnungs- und Bestrafungsdenken besonders häufig anzutreffen ist - Krankheit, niedriger Sozialstatus,... werden so Folge von Eigenverschulden!
  • Oft findet man auch eine eigenartige Koppelung moderner (Pseudo)wissenschaftlichkeit an archaische Inhalte (wenn etwa Erlebnissen aus früheren Leben mittels elektronischer Geräte nachgespürt wird)

Der Alltag der Mitglieder:

  • Praktisch alle Aktivitäten dienen (objektiv) dazu, Vermögen und Macht [1] des Gruppenführers zu vergrössern (subjektiv dienen sie dazu, das eigene Bewusstsein zu erweitern, andere Menschen zu retten, zu bekehren,...)
  • Dies wird durch eine Massive Verengung der Lebenswirklichkeit möglich gemacht: der Handlungsspielraum wird durch Nahrungs-, Zeit-, Verhaltens-, ...-vorschriften reduziert; das persönliche Interesse beschränkt sich bald nur mehr auf Inhalte und Ziele der Gruppe; zu "unbelehrbaren" Freunden und Angehörigen wird der Kontakt abgebrochen;.... Diese Verengung funktioniert aufgrund
  • einer umfassenden Kontrolle (mind-control [1]), die das tägliche Leben bestimmt: das Verhalten wird durch festgelegte Umgebung, Nahrung, Schlafmenge,...gesteuert; gefilterte Informationen aus der Aussenwelt wie über das Leben in der Gruppe lenken das Urteilsvermögen; das Erlernen neuer Vokabel, eines neuen Sprachgebrauchs, das Errichten von Denkblockaden,... sichert die Herrschaft über die Gedanken; und durch das Ausnützen von Freundschaft und Feindbildern, Verantwortungsbewusstsein und Schuldgefühlen, Elitebewusstsein und Minderwertigkeitsgefühlen können sogar die Gefühle der Mitglieder gelenkt werden.
  • Da möglichst viele Lebensbereiche an Gruppenspezifika gekoppelt werden, gibt es schon bald praktisch keinen "Kultfreien Raum" mehr, der eine objektivierende Distanz ermöglicht. - medizinisches, zeremonielles, erzieherisches, arbeitstechnisches, lerntechnisches, ... "Know-how" wird angeboten und ersetzt "herkömmliches".
  • Im Zentrum der Lebensinteressen stehen Kultinhalte; Kinder haben einen völlig anderen Stellenwert als unserer Alltagserfahrung entspricht; eine emotionale Vernachlässigung der Kinder ist oft die logische Folge. Ihre gesunde Entwicklung kann aber durch andere Faktoren gefährdet sein: durch autoritäre Erziehungssysteme mit zum Teil harten Strafgewohnheiten; durch Leugnung und Vernachlässigung wichtiger Entwicklungsstufen verschiedenste Fehlsteuerungen bei der Sexualentwicklung,....

Selbstdarstellung contra Resultate:

  • Bei ersten Kontakten wirken Kult Mitglieder besonders konformistisch (ausgesuchte Höflichkeit; Korrekter Haarschnitt, Anzug und Krawatte, u.ä.);
  • auch die Anliegen, die sie dabei in den Vordergrund stellen, sind entsprechend ausgewählt: oft werden ansprechende Nebenaspekte ihrer Lehre betont, während zentrale, aber unpopuläre Thesen verschwiegen oder sogar geleugnet werden.
  • In diesem Zusammenhang muss man auch die Versuche vieler Gruppen sehen, sich auf einen "Status" als Kirche oder Religionsgemeinschaft zu berufen bzw. sich als "gemeinnütziger" Verein zu tablieren.
  • auch die Tendenz, die Werbewirksamkeit aktueller Trends wie Naturgefühl, Naturheilkunde, Atomdiskussion, ... zu nützen, gehört zu dieser Taktik, die durch die Verwendung des "Schneeballsystems" und die damit verbundene Ausnützung des vertrauensbildenden Effekts wie des sozialen Drucks besonders effektiv wird.


Solchen Selbstporträts müssen die objektiven Ergebnisse einer Gruppe gegenübergestellt werden:

  • Das systematische Streben nach gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Macht ist oft kaum vom gemeinnützigen Mäntelchen verhüllt.
  • Zunächst überzeugende Spitzenerlebnisse erweisen sich bei genauerer Betrachtung als Wirkung "billiger Tricks" aus der Mottenkiste der Reklamepsychologie (Autosuggestion, positives Feedback, Stars als "Werbemittel"...).
  • Ursprünglich gesunde und intelligente Menschen sind zu einem selbständigen und eigenverantwortlichen Leben nicht mehr fähig: sie sind gezeichnet von Depressionen, Erschöpfung, Ängsten und Phobien, ... und von einem weitgehenden Verlust ihrer ursprünglichen Kompetenzen.
  • Mitglieder in Not, die für die Gruppe "unbrauchbar" geworden sind, werden durch verschiedene Formen der Distanzierung ("Behandlung", Bestrafung,...) erbarmungslos ausgegrenzt oder sogar ausgestossen.
  • an der Gruppenspitze aber kommt es zu einer beeindruckenden Machtkumulation und Kapitalanhäufung.

siehe dazu auch :

Robert Jay Lifton 1963 über Gehirnwäsche
Das berühmte Kapitel 22 in deutscher Übersetzung
Erlöst oder verführt?
Über "Gehirnwäsche" und psychologische Beeinflussung in neu-religiösen
Sekten von Nils Johan Lavik
die Sektencheckliste der EBI-Sachsen für unbekannte Gruppen

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