BARE-FACED MESSIAH
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Kapitel 20

Auf Grund gelaufen

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"Ich glaube nicht, dass ich es jemals bereuen werde, meine Entdeckungen veröffentlicht zu haben. Meine einzige Absicht war zu dienen und der Menschheit mein Wissen zugänglich zu machen .... Ich war nie darauf aus Streit zu suchen."
(Erste Presseerklärung von L. Ron Hubbard nach fünf Jahren, verlesen von Diana Hubbard bei einem Empfang in Quebec anlässlich einer neuen Auflage von Dianetik, 28. April 1976)


Scientologys Zusammenfassung der Jahre 1975-76.

*   *   *   *   *

Frankie Freedman, ein ehemaliger Pit Boss (Spieltisch Aufseher) in einem Spielcasino in Las Vegas und seit 10 Jahren überzeugter Scientologe, wusste, dass die Sea Org an Land gehen würde, denn er hatte South Carolina, Georgia und Florida nach einer Liegenschaft in sicherer Umgebung durchkämmt, die als Zwischenstation benutzt werden konnte bis eine permanente Basis an Land eingerichtet war. Seine "Tarngeschichte" war, dass er als Repräsentant einer (Schein)firma auftrat – der Southern Land Sales and Development – die Eigentum für Churchinterne Schulungen suchte. "LRH wusste, dass wenn wir in eine Stadt gingen und sagten, dass wir Scientologen wären", sagte Freeman, "würde man uns mit einem Tritt in den Hintern wieder hinausbefördern." [1]

Anfang August 1975 fand Freedman ein heruntergekommenes Motel, das Neptun, am Strand von Daytona Beach in Florida. Er kontaktierte den Besitzer, legte ihm seine Southern Land Development Business Karte vor und bot an, das ganze Motel für drei Monate zu mieten. Man einigte sich auf einen Betrag von 50.000 $. Zwei Tage später kam Mark Schecter und brachte das Geld in bar in einem Koffer mit.

In Curaçao rief Hubbard den ergebenen Dincalci, der inzwischen wieder in seiner Gunst stand, zu sich in sein Umkleidehäuschen und sagte ihm: "Wir werden das Schiff verlassen. Beschaffe dir etwas Geld, geh nach Daytona Beach und such mir eine Unterkunft in der Nähe des Neptun Motels. Dort gibt es überall diese Eigentumswohnungen – nimm eine solche." Dincalci erinnerte sich, von Hubbards falscher Aussprache des Wortes (Hubbard sagte "Condomium", korrektes Englisch: Condominium) sehr betroffen gewesen zu sein; dies schien den Umstand noch zu unterstreichen, dass der Kommodore schon so lange nicht mehr in seinem Heimatland gewesen war. [2]

An Bord der Apollo war es inzwischen allgemein bekannt, dass der Kommodore plante in die USA zurückzukehren. Sea Org Offiziere waren schon dabei, Pläne zu erstellen, um die Mannschaft in kleinen Gruppen über die internationalen Flughäfen von Miami, Washington und New York an Land zu bringen, um die Bundesbehörden nicht zu alarmieren. Crew Mitglieder ohne amerikanische Staatsbürgerschaft bekamen Rückflugtickets und sollten bei Nachfragen als "Touristen" einreisen. Das Schiff sollte mit einer Rumpfmannschaft in Freeport auf den Bahamas verbleiben bis es verkauft werden konnte.

Inzwischen machte sich Hubbard mittels eines Direktfluges nach Orlando, Florida, auf leisen Sohlen davon. Begleitet wurde er von Mary Sue und Kima Douglas. Sie wurden von dort nach Daytona Beach gefahren, wo Jim Dincalci aneinander angrenzende Suiten in einem modernen Hotelkomplex am Strand, nur ein paar hundert Meter entfernt vom Neptun Motel, angemietet hatte. Innerhalb der nächsten Tage traf das erste Sea Org Personal ein und bezog das Neptun. Niemand von ihnen sollte wissen, dass der Kommodore an der selben Strasse nur ein paar Blöcke weiter unter wohnte.

"Wir alle gaben vor nicht zu wissen, wo er sich aufhielt", sagte David Mayo, "obwohl es doch ziemlich offensichtlich war. Wir konnten sein Hotel vom Balkon des Motels sehen, doch wurde jedem gesagt, nur ja nicht dorthin zu gehen, nicht einmal für einen Drink, denn es gab dort angeblich SPs (Unterdrückerische Personen). Niemand glaubte das; das war einfach zu absurd. Denn er besuchte uns jeden Tag; er fuhr in einem goldfarbenen Cadillac vor, den wir einige Minuten zuvor sehen konnten, wenn er das Hotel verliess. Er nahm die entgegengesetzte Richtung, fuhr einmal um den Block und kam dann ins Motel, so als ob er von woanders her gekommen wäre." [3]

Hubbard schien in Daytona guter Dinge zu sein, es ging ihm gesundheitlich viel besser. "Er war wirklich glücklich, ass gut und fluchte nicht so viel", sagte Dincalci. "Ich denke, es war das erste Mal seit langem, dass er rausgehen und etwas tun konnte. Es mussten Dinge getan und Leute getroffen werden. Er ging los und kaufte einige Autos für die Org – ein paar Matadors und einen Chevy Kombi – er schien das richtig zu geniessen. Er liebte es sich frei zu bewegen. Er mochte es, die Org von unserem Standort aus zu beobachten, und doch zu glauben, dass man nicht wisse wo er sich aufhielt. Manchmal gingen Sea Org Mitglieder gerade vor unserem Haus schwimmen; dann ging er den ganzen Tag bis zum späten Abend nicht raus. Wenn er die Org in seinem blitzenden goldenen Cadillac besuchte, gingen alle nach draussen und salutierten. Er kam immer von der Landseite her angefahren und behauptete, einen halben Tag gefahren zu sein um zu ihnen zu kommen."

Urlauber in Daytona Beach beobachteten das Kommen und Gehen im Neptun Motel ohne sich gross Gedanken zu machen. Die Scientologen waren nicht lange genug da, als dass man ihre Präsenz hätte spüren können, denn im Oktober fand man die perfekte Landbasis – auf der anderen Seite der Halbinsel Floridas.



Clearwater war ein ruhiges Seebad nördlich von St. Petersburg, das sich selbst gerne als das "funkelnde Clearwater" bezeichnete und in dem hauptsächlich Rentner lebten. Es war ein Spitzname, der sich eher von der geographischen Lage zwischen der Bay von Tampa und dem Golf von Mexiko als vom sozialen Leben ableitete: Mehr als ein Drittel der ca. 100.000 Einwohner von Clearwater waren über 65 Jahre, und so herrschte eine gemächliche, leicht antiquierte Atmosphäre vor Ort. Shuffleboard (dt: Beilkespiel) war der populärste Nachmittagszeitvertreib, nachdem man im Schatten von mit spanischem Moos drapierten Bäumen sein Nickerchen gemacht hatte. Und danach konnte man bei Brown Bros Luchonette noch in den seltenen Genuss von richtiger Malzschokolade kommen.

Veränderungen waren an einem solchen Ort nicht sehr populär, denn auch diese Stadt hatte bis zu einem gewissen Grad unter dem schädlichen urbanen Einfluss gelitten, der so vielen amerikanischen Städten in den 70ern und 80ern zugesetzt hatte. Innenstadtbewohner waren in die Vorstädte gezogen, Geschäfte waren in die grossen Einkaufzentren abgewandert und die Touristen favorisierten die neuen Hotels direkt am Strand jenseits des Damms. Das Zentrum von Clearwater war schnell zu einer leeren Hülse geworden, versinnbildlicht durch den dahinschwindenden Glanz des Wahrzeichens der Stadt, des 11-stöckigen Fort Harrison Hotels. Mit einem Kronleuchter in der Lobby, der den nierenförmigen Swimming-Pool überblickte, und den Etagen über Etagen von leeren und verlassenen Räumen stand das Fort Harrison für das Dahinschwinden einer Ära; es war kaum verwunderlich, dass es zum Verkauf ausgeschrieben war.

Der Verkauf an die Southern Land Sales and Development Corporation im Oktober 1975 weckte kaum mehr als vorübergehendes Interesse in der Öffentlichkeit, obwohl der Rechtsanwalt der Verkäufer gestand, dass das "eine der seltsamsten Transaktionen war", in die er jemals involviert war. [4] Nicht nur, dass die Southern Land den Verkaufspreis von 2,3 Millionen Dollar in bar bezahlte, diese war so geheimnisvoll, dass sie nicht einmal eine Telefonnummer herausrückte. Ein paar Tage später kaufte die Southern Land auch die alte Bank von Clearwater in der Nähe des Fort Harrison für 550.000 Dollar, ebenfalls in bar.

Reporter der zwei lokalen Zeitungen, der Clearwater Sun und der St. Petersburg Times begannen natürlich routinemässig Nachforschungen über die Pläne der Southern Land anzustellen und waren überrascht festzustellen, dass es keine wie immer gearteten Unterlagen über eine Southern Land Sales and Development Corporation gab. Dann traf ein Mann mittleren Alters in einem, so wird berichtet, grünen Overall in Clearwater ein und kündigte an, dass eine Organisation namens "Vereinigte Church Floridas" beide Gebäude für ökumenische Treffen und Seminare gemietet hatte. Auch das lüftete das Geheimnis nicht, denn auch von den "Vereinigten Churches Floridas" gab es keinerlei Unterlagen.

Obwohl Hubbard seine neuesten Erwerbungen noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, hatte er aufgrund der detaillierten Berichte, die er in Daytona Beach bekam, wenig Zweifel daran, dass Clearwater sich ideal für das Hauptquartier von Scientology eignen würde – ein Stützpunkt, von dem aus die Church wachsen und gedeihen konnte. Er überlegte, ob er das Penthouse im Fort Harrision beziehen sollte – es gab eine Garage im Untergeschoss und einen direkten Lift in den 11. Stock – doch gelangte er schliesslich zur Überzeugung, dass es sicherer wäre, ausserhalb der Stadt zu bleiben. Frankie Freedman fand ihm vier leere Eigentumswohnungen in einem Gebäudekomplex namens King Arthurs Court in Dunedin, einer kleinen Stadt ungefähr fünf Meilen nördlich von Clearwater. Hubbard und Mary Sue, begleitet von einer diskreten Entourage von Messengers und weiteren Helfern, zogen am 5. Dezember 1975 dort ein. Auch dieser Ort sollte ein gut gehütetes Geheimnis bleiben.

Es gab eine ganze Anzahl zwingender Gründe, weshalb Hubbard sich verborgen halten und seine Scharade fortsetzen wollte, da er nämlich für die öffentliche Wahrnehmung keinen Einfluss bzw. Verantwortlichkeiten mehr in Scientology ausübte. Einer davon war, dass er es nicht riskieren wollte, im Alter von 64 Jahren noch ins Gefängnis zu wandern.

Die "Operation snow White" (dt. Schneewittchen), dieser unverfrorene Plan die staatlichen Akten zu säubern, den er vor drei Jahren ersonnen hatte, schritt rapide voran und hatte einen Erfolg, den kaum jemand für möglich gehalten hatte. Anfang des Jahres 1975 hatte das Guardians Office die Bundessteuerbehörde, die US-Küstenwache und die Gesundheitsbehörde infiltriert. Bis im Mai hatte Gerald Wolfe, ein Scientologe, der im Büro der Bundessteuerbehörde in Washington arbeitete, mehr als 30.000 Seiten Dokumente über Scientology und die Hubbards gestohlen. Im Schutzbüro wurde er unter dem Decknamen "Silver" geführt.

Innerhalb der Hierarchie von Scientology hatte Mary Sue Hubbard die letztliche Verantwortung für die Aktivitäten der Operation Snow White, doch es war undenkbar, dass sie lediglich aus eigener Initiative handelte und den Fortschritt nicht mit ihrem Mann diskutierte. Und obwohl die "Amateur"-Agenten entdeckt hatten, dass es lächerlich einfach war in US-Bundesbüros einzubrechen, sie zu verwanzen und zu infiltrieren, waren doch erhebliche Risiken damit verbunden, sowohl für die Agenten selbst als auch für ihre "kirchlichen" Vorgesetzten. Hubbard selbst war es letztlich egal wer den Kopf hinhalten musste, falls die Operation Snow White auffliegen sollte, solange es nicht der seinige war.

Ein paar Tage bevor er nach Dunedin zog, billigte er den Vorschlag des Guardians Office, Agenten in die Büros des Generalstaatsanwalts der USA in Washington DC und Los Angeles mit dem Spezialauftrag einzuschleusen, frühzeitig vor möglichen rechtlichen Schritten gegen ihn und die Church zu warnen. In der bekannt unbeholfenen Prosa definierte das Guardians Office die hohe Priorität des "Programms Sicherheit LRH" wie folgt: "Aufrechterhaltung eines Frühwarnsystems im gesamten Netzwerk des Guardians Office, sodass jegliche geplanten Bundes- und Justizschritte rechtzeitig bekannt werden, um Verteidigungsaktionen zu entwerfen und damit bei Bedarf unmittelbar das Mass an persönlicher Sicherheit für LRH zu erhöhen." [5]

Zuversichtlich, dass das Guardians Office ihn beschützen würde, plante Hubbard sich in die Gesellschaft Clearwaters einzuführen, indem er vorgab, als Photograph mit einem Interesse an Landschaftsbildern für die Tourismusindustrie zu arbeiten. "Photos des schönen Clearwater" ist der springende Punkt hier", schrieb er in einem Brief an Henning Heldt, einem Vertreter des Guardians Office. "Mein Portrait des Bürgermeisters im Rathaus wird ihre Ängste zerstreuen."

Gabriel Cazares, der Bürgermeister von Clearwater, hatte wichtigere Dinge zu tun als sich photographieren zu lassen. Wie viele der rechtschaffenen Bürger von Clearwater war er besorgt über den plötzlichen Zustrom von seltsam unkommunikativen jungen Menschen. Fleissig schrubbten und reinigten sie das Fort Harrison Hotel und das alte Bankgebäude, trugen eine Art Uniform und schienen unter Befehl zu stehen. "Ich sehe mit wachsendem Unbehagen das Anwachsen von Sicherheitspersonal", gab der perplexe Bürgermeister schliesslich bekannt, "das mit Schlagstöcken und Keulen ausgestattet und von den "Vereinigten Churches Floridas" angestellt ist. Ich verstehe nicht, warum dieses Mass an Sicherheitsdienst für eine religiöse Organisation erforderlich ist."

Unangenehmerweise wurde er damit automatisch auf die "Feindesliste" von Scientology gesetzt. Er wäre noch unangenehmer berührt gewesen, hätte er eine Anweisung gekannt, die im Dezember von der Church herausgegeben worden war. Darin werden Pläne dargelegt, wie man die "Schaltpunkte in der Region Clearwater" übernehmen könnte. Das Ziel des Projektes "Power" war, die "Unentbehrlichkeit der Vereinigten Church in der Kommune zu erreichen"; die Mittel, dieses Ziel zu erreichen, waren klassische Hubbardsche Strategien.

"Der grundsätzliche Plan ist, Opinion Leaders (dt: Meinungsführer/Schlüsselpersonen) ausfindig zu machen – dann ihre Feinde, den Schmutz, die Skandale, die Beteiligten, die Verbrechen dieser Feinde (mit möglichst vielen geheimen Details). Diese Informationen werden der UC [United Churches/Vereinigte Church] zur Verfügung gestellt, um damit dem Opinion Leader näher zu kommen und seine Zustimmung zu erlangen, sich mit bestimmten Angelegenheiten zu befassen (die sie zu den Skandalen ihrer Feinde führen wird). UC "entdeckt" dann den Skandal und gibt die Daten an den Opinion Leader zu deren Verfügung weiter. Als Folge können weitere Aktionen unternommen werden, um den Feind aus dem Weg zu schaffen oder in Zaum zu halten." [6]

Kurz bevor die Tarnung als "Vereinigte Church" aufflog machte Hubbard noch einen Abstecher nach Clearwater, um den Mitschnitt einer Radiosendung zu überwachen, in die drei lokale Priester eingeladen worden waren. Der Kommodore hatte seine erhabene goldbestickte weisse Marine-Uniform gegen ein Barret und eine Khakiuniform eingetauscht. In dieser bizarren Montur, die dann noch von Kopfhörern gekrönt wurde, eilte er hin und her, fummelte an den Knöpfen herum, richtete Mikrophone ein und gab Anweisungen, wo jeder zu stehen hatte. sie stellten ihn mir als Mr. Hubbard vor", sagte Reverent R. L. Wicker vom Calvary Temple of God in Clearwater. "Doch das sagte mit gar nichts. Sie sagten, dass er Ingenieur war."

Im Januar entdeckte das Guardians Office, dass die lokalen Zeitungen nahe dran waren, die wahre Identität der "Vereinigten Church" zu entdecken. Silver berichtete, dass eine Bette Orsini von der St. Petersburg Times den Steuerbefreiungsstatus der Scientology-Church hinterfragt hatte. Und June Byrne, eine Scientologin, die einen Job in der Redaktion der Clearwater Sun bekommen hatte, informierte das Guardians Office, dass der Reporter Mark Sableman anscheinend eine Verbindung zwischen den "Vereinigten Church" und Scientology gefunden hatte. Er hatte die Registrierung der Nummerntafeln von Autos überprüft, die von Vertretern der "Vereinigten Church" benutzt wurden und hatte herausgefunden, dass eines davon unter dem Namen "R. Hubbard" eingetragen worden war.

Am 28. Januar 1976 traf "Reverend" Arthur J. Maren, eine eindrucksvoller Mann mit einem Bart wie direkt aus dem Alten Testament, von Los Angeles kommend in Clearwater ein und gab auf einer Pressekonferenz bekannt, dass Scientology der wahre Besitzer des Fort Harrison Hotels und des alten Bankgebäudes war. Die Verbindung zwischen den beiden Organisationen war deshalb noch nicht früher enthüllt worden, weil man aus altruistischen Gründen die Arbeit der Teilorganisation, der "Vereinigten Church", nicht behindern wollte. Am 5. Februar gab es einen "Tag der offenen Tür" im Fort Harrison Hotel, bei dem sich rund 500 Bürger ein Bild von den bereits durchgeführten Renovierungsarbeiten machen konnten. Maren versicherte den Anwesenden, dass von Scientology nichts zu befürchten sei. "Scientologen sind Leute, die nicht trinken und die Gesetze einhalten", sagte er. sie sind freundlich und wollen zum Gemeinwohl beitragen." Am nächsten Tag reichte die Scientology-Church eine Klage über 1 Million Dollar gegen Bürgermeister Gabriel Cazares wegen Verleumdung, Ehrenbeleidigung und der Verletzung der Rechte der Church ein.

Hubbard ging davon aus, dass seine eigene Sicherheit im King Arthurs Court in Dunedin gewährleistet war, denn der Ort war nur sehr wenigen Leuten bekannt – und alle waren gut ausgebildet und loyal bis zum Fanatismus. Doch gab es wie so oft in seiner "einzigartigen" Karriere eine Art perfider Unvermeidlichkeit, dass er damit schliesslich wieder falsch liegen sollte. Diesmal war niemand anderer Schuld als nur er selbst. Er hatte entschieden, dass er für sein neues Leben am Strand eine neue Garderobe brauchte. Für gewöhnlich bestellte er neue Kleidung über sein Büro in St. Hill Manor bei einem Schneider in Savile Row, doch diesmal war er ungeduldig und entschied sich für einen örtlichen Schneider aus Tarpon Springs, der nächstgelegenen Stadt Richtung Norden auf der Route 19A. Es stellte sich heraus, dass der Schneider ein grosser Science Fiction Fan war, und während er seinen neuen Kunden vermass, kam man über Science Fictions ins Gespräch. Hubbard lüftete seine Identität und der Schneider war hocherfreut die Hand des grossen L. Ron Hubbard zu schütteln, dessen Stories er schon so lange bewunderte. Zurück in Tarpon Springs erzählte er die Begegnung gleich brühwarm seiner Frau: "Du errätst nie, bei wem ich jetzt gerade Mass genommen habe...!" Im Nu verbreitete sich diese Neuigkeit und es dauerte nicht lange, bis ein Reporter an die Tür des King Arthurs Court in Dunedin klopfte.

Hubbard rastete aus. "Wir fahren sofort ab!" schrie er Kima Douglas an, die zu der Zeit den Haushalt leitete. "Wen oder was willst du mitnehmen?". Kima, die sich schon daran gewöhnt hatte, mit Krisen umzugehen, schlug ihren Mann Mike vor. Hubbard war einverstanden, dass er sie fahren sollte. "Er war völlig ausser Fassung geraten, so hatte ich ihn seit Jahren nicht mehr gesehen", sagte Kima. "Wir hatten nur Zeit um eine kleine Tasche zu packen." Hubbard hatte bereits fünf eigene Koffer im Kofferraum seines goldenen Cadillac verstaut; sie stoben aus der Wohnanlage, als die Sonne im Golf unterging. Mike war am Steuer, Kima sass auf dem Beifahrersitz vorne neben ihm und Hubbard kauerte sich im Fond des Wagens zusammen um nicht gesehen zu werden. So fuhren sie auf der Route 4 Richtung Orlando auf die andere Seite der Halbinsel Floridas.

Es war eine Reise, die sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen sollte: "Irgendwo in der Nähe von Orlando hielten wir bei einem Hotel, ich glaube es war ein Great Western, und checkten unter falschen Namen ein. LRH war angeblich mein Vater. Wir bekamen aneinander angrenzende Zimmer und dann schickte LRH Mike fort, damit er von einer Telefonzelle aus Mary Sue anrufen sollte, um herauszufinden was los war. Als er zurückkam sagte er, dass er sie nicht hatte erreichen können, weil sie ihr Büro in ein anderes Zimmer verlegt hatte. Der alte Mann brach zusammen und fing an zu weinen; Tränen strömten aus seinen Augen. Wir hatten keine Ahnung, was zum Teufel da vorging. Dann fing er zu jammern an: "Versteht ihr nicht? Wenn sie ihr Büro verlegt hat, heisst das, dass jemand dort war. Das ganze Ding ist zusammengebrochen! Versteht ihr denn nicht?" Es sah so aus, als ob er gleich einen Herzanfall bekommen würde; also ging Mike nochmal zu dieser Telefonzelle um weitere Informationen zu bekommen. Als er zurückkam, sagte er, dass alles in Ordnung sei. Mary Sue hatte ihr Büro von einem Apartment zum nächsten verlegt, da sie dachte, dass das so bequemer für sie sei."

Früh am nächsten Morgen informierte Hubbard seine Reisegefährten, dass sie 1900 Kilometer bis nach New York fahren würden, doch würden sie den Cadillac loswerden müssen, denn der war zu auffällig. Er gab Douglas 5000 Dollar, damit sie ein anderes Auto kaufen konnte. Sie kam eine Stunde später mit einem gebrauchten Chevrolet mit Hecktür zurück, der gross genug für ihre Koffer war und definitiv nicht auffiel. Sie fuhren sofort los.

"Wir waren drei oder vier Tage unterwegs", sagte Kima Douglas. "Es war ein Horrortrip. Er sass im Fond des Wagens und rauchte wie verrückt eine Zigarette nach der anderen. Jedesmal wenn er ein Polizeiauto sah, schrie er: "Da sind sie! Sie sind hinter uns her!" Wir mussten immer wieder die Autobahnen und Fernstrassen verlassen, auch immer wieder anhalten, um ja keinen Polizeiautos zu begegnen. Wir kamen durch ein paar wirklich eigenartige Orte. Einmal stieg er aus und schlug aus lauter Frustration auf das Dach des Wagens ein. Ich sagte sehr ruhig zu ihm: "Gehen Sie bitte wieder ins Auto. Es ist alles in Ordnung."

"Er sagte immer wieder, dass wir nach New York müssten, doch als wir dann durch New Jersey fuhren, konnte ich sehen, dass ihm die Luftverschmutzung immer stärker zu schaffen machte. Er hyperventilierte und schnappte nach Luft. Es war erschreckend, wirklich erschreckend. Wir fuhren Richtung Queens, wo er früher einmal gewesen war, und ein Flugzeug flog über uns, das üble Abgase ausstiess. Ich deutete darauf und sagte: Sir, das werde ich ihnen nicht antun. Sie können hier nicht bleiben." Er benahm sich inzwischen wie ein Kind und murmelte etwas wie "mach, was du glaubst". Ich sagte, wir sollten umdrehen und nach Washington DC fahren. Er sagte nur: "Tu, was du für richtig hältst." [7]

Mike Douglas wendete und fuhr in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren, nach Süden auf der gebührenpflichtigen New Jersey Schnellstrasse, über den Delaware-Fluss nach Maryland bis zu den Vororten von Washington DC. Dort fanden sie Zimmer in einem Hotel in der Nähe der Umfahrungsstrasse der Hauptstadt. Am nächsten Morgen fuhr Kima in die Innenstadt um sich nach einer längerfristigen Bleibe umzuschauen. Sie fand ein komfortables Sandsteinhaus auf der Q-Strasse in Georgetown, nur neun oder zehn Blocks von der Washingtoner Org entfernt und unterschrieb einen Mietvetrag für 1300 Dollar pro Monat.

Nach wenigen Tagen in diesem vornehmen Haus hatte Hubbard seine Fassung wiedergewonnen. Das Telex wurde aufgestellt und die übliche Gefolge von Messengers und Helfern zog ein – inklusive Jim Dincalci, der ebenfalls mit einem Auto mit Anhänger, beladen mit den persönlichen Besitztümern und Papieren des Kommodore, von Florida hochkam. Mary Sue begann nun täglich Berichte über den Fortschritt der Operation Snow White zu schicken. "Es war eine bizarre Situation", sagte Kima Douglas, "denn während wir uns in Washington in unserem Versteck aufhielten, durchsuchten andere Scientologen die Akten in den Regierungsgebäuden nicht weit von unserem Haus."

In den belebten Strassen von Georgetown fühlte sich Hubbard sicher und ging sogar aus; trotzdem hatte er sich einen Bart wachsen lassen und trug ein seltsames Sortiment alter Kleider in der naiven Annahme, dass er damit in der kosmopolitischen Atmosphäre der Stadt nicht auffiel. "Er kaufte Kleidung in den Second Hand Geschäften der Heilsarmee, wirklich schmieriges Zeug", sagte Alan Vos, einer der Helfer, der mit in das Sandsteinhaus in der Q Street eingezogen war. "Das war eigenartig, denn auf dem Schiff hatte er all diese Phobien vor Staub und Gerüchen gehabt, hatte Waschvorschriften für seine Kleidung herausgegeben, und auf einmal war das alles wie weggeblasen, sobald wir in Washington lebten."

"Er ging gern aus und sass in einem der Strassencafes auf der Conneticut Avenue. Das Scientology Büro war nur ein paar Häuser weiter weg und oft drückten ihm junge Leute, die für Scientology rekrutierten, Flyer in die Hand; er fand das sehr lustig. Eines Tages kam er in einem Restaurant mit einer Frau über Scientology ins Gespräch und er schlug ihr vor, sie solle doch einmal in die Org an der S Street gehen. Ich hörte später, dass sie dorthin gegangen war und als sie gefragt wurde, wer sie geschickt hatte, zeigte sie auf LRHs Bild an der Wand und sagte: "Das war der Mann da". Die Leute in der Org flippten total aus und stellten Nachforschungen über sie an, denn sie dachten, diese Frau wäre eine Spionin der Regierung."

"Ich hatte das Gefühl, dass LRH in Washington glücklich war; er war froh, ausgehen zu können, sich unter die Leute mischen oder ins Kino gehen zu können. Auf dem Schiff hatte er keine Ahnung davon, was in der Welt vorging. Er dachte darüber nach, das Hauptquartier nach Washington zu verlegen und schaute sich nach einer entsprechenden Liegenschaft um – es gab sogar ein Hotel am Dupont Circle zu verkaufen – doch Mary Sue redete ihm das wieder aus. Sie mochte Washington nicht und überzeugte ihn davon, dass das zu gefährlich wäre. Das war ihr Spielchen – sie spielte mit seinen Ängsten und Psychosen in Bezug auf Polizei und Gewalt." [8]

Hubbard verbrachte ziemlich viel Zeit in der Bibliothek des Kongresses, wo er über Schwarze Magie und Okkultismus nachlas; fast jeden Tag ging er dann im Rock Creek Park spazieren. Er glaubte, dass dort FBI-Agenten trainiert würden. Er kaufte sich eine Trickkamera mit seitlicher Linse und machte sich eine Spass daraus, die vermeintlichen Agenten bei ihrer Ausbildung aufzunehmen. Kima Douglas dachte, dass er verrückt sei, solch ein Risiko einzugehen.

Zufälligerweise war der Rock Creed Park auch der Ort, der vom Guardians Office für einen vorgetäuschten Unfall mit Fahrerflucht ausgewählt worden war; dieser Unfall sollte dazu dienen, die politische Karriere des lästigen Bürgermeisters von Clearwater zu beenden. Gabriel Cazares stand damals auf der Abschussliste der Scientology Church ganz oben – das Guardians Office hatte schon wochenlang versucht, irgendwelchen Schmutz über ihn auszugraben. Scientologen waren in seine Heimatstadt Alpine, Texas, gereist, hatten die Archive durchkämmt, im Gerichtsgebäude herumgeschnüffelt und sogar die Grabsteine auf dem örtlichen Friedhof überprüft – ohne Erfolg. Doch dann wurde veröffentlicht, dass Cazares an der landesweiten Konferenz der Bürgermeister in Washington vom 13.-17. März teilnehmen würde; das Guardians Office entwarf hastige Pläne, um ihn dort zu begrüssen.

Ein Scientologe, der sich als Washingtoner Reporter vorstellte, gab an Cazares interviewen zu wollen und stellte ihm dann eine Freundin namens Sharon Thomas vor, die anbot dem Bürgermeister die Sehenswürdigkeiten von Washington zu zeigen. Miss Thomas arbeitete natürlich für das Guardians Office. Sie fuhr mit dem Bürgermeister durch den landschaftlich schönen Rock Creek Park, verlor anscheinend kurz die Kontrolle über den Wagen und fuhr in einen Fussgänger, der auf dramatische Art zusammenbrach. Zum Entsetzen des Bürgermeisters hielt Miss Thomas nicht an, sondern beschleunigte den Wagen und lies den verletzten Mann auf der Strasse liegen.

Ein Memo des Guardians Office vom folgenden Tag diskutiert Möglichkeiten, wie dieser Unfall genutzt werden könnte, um Cazares zu diskreditieren, und schliesst mit den Worten: "Ich gehe davon aus, dass die politische Karriere des Bürgermeisters zu Ende ist." Zufälligerweise beschäftigte sich auch der Kommodore im Geiste mit Cazares. Am gleichen Tag kritzelte Hubbard eine Notiz an das Schutzbüro: "Cazares – gibt es noch die Möglichkeit, dass die Exil-Kubaner in Miami auf die Idee kommen könnten, dass er für Castro ist?"

Das "Opfer" des Fahrerflucht-Unfalls war ein junger Mann namens Michael Meisner, Scientologe seit 1970. Meisner war die Schlüsselfigur der Operation Snow White: Er befehligte alle Schutzbüro-Agenten, die die Regierungsstellen in Washington infiltriert hatten, hatte selbst an mehreren Einbrüchen ins Justizministerium teilgenommen und das Kopieren von zehntausenden Seiten geheimer Regierungsakten organisiert. Fast 18 Monate lang hatten sich Agenten des Guardians Office ohne Probleme in Regierungsgebäude hinein- und wieder hinausgeschlichen, doch am Abend des 11. Juni 1976 entdeckte das FBI Meisner und Silver in der Bücherei des US-Justizministeriums am Fuss des Capitols. Sie warteten bis die Putzfrauen ein Büro gereinigt hatten, um daraus Dokumente zu stehlen, doch sie sagten den FBI-Agenten, dass sie offizielle Nachforschungen betrieben. Sie zeigten ihre gefälschten Identitätskarten und durften dann wieder gehen.

Am nächsten Tag zeigte ein aufgebrachter Hubbard im Haus an der Q Street Kima Douglas ein Telex von Mary Sue und fragte sie: "Was soll ich da jetzt machen?" "Im Wesentlichen besagte der Bericht, dass man den Mann ertappt hatte, der all diese grossartigen Informationen für uns aus den Steuerakten besorgt hatte." Obwohl niemand verhaftet worden war, vermutete Hubbard (zu Recht), dass das Ärger geben würde. Sein Instinkt sagte ihm – einmal mehr – zu fliehen.

Genau für diesen Fall war auf der anderen Seite des Landes ein Schlupfloch für ihn vorbereitet worden. Am nächsten Morgen checkte Kima Douglas am Washingtoner Flughafen mit ihrem älteren "Vater" für einen Flug nach Los Angeles ein. Sie reisten also unter falschen Namen, sassen zusammen in der ersten Klasse und sahen sich einen Abenteuerfilm an, der eine spektakuläre Szene einer Rettung mit einem Hängegleiter enthielt, die dem alten Herrn sehr gefiel. Bei der Ankunft in LA wurden sie von einer Limousine abgeholt und in die Overland Avenue in Culver City gebracht, wo Gerry Armstrong vier aneinander angrenzende Apartments gemietet hatte. In der Q Street in Washington luden die Bewohner indessen Boxen und Schachteln in zwei Sattelschlepper, die vor dem Haus parkten. Noch in der gleichen Nacht brachen sie zu einer langen Fahrt durch den ganzen Kontinent nach Los Angeles auf.

Die Overland Avenue war eine weitläufte Alleestrasse mit niedrigen Apartment-Blocks auf der einen und der üblichen amerikanischen Vorstadtidylle mit Einkaufszentren, Tankstellen und Gebrauchtwagenhändlern auf der anderen Seite. Es war ein anonymes bürgerliches Wohngebiet, einer dieser Orte, an denen Menschen monatelang ein und aus gingen, ohne je von ihren Nachbarn bemerkt zu werden. Armstrong hatte bereits eine Telex-Leitung installiert, noch bevor der Kommodore eintraf. Spezielles Decodierungsgerät wurde installiert, um eine direkte und abhörsichere Leitung mit Clearwater und dem Guardians Office in Los Angeles einzurichten – Codename Beta. Der Codename der Overland Avenue war Alpha.

Unter den ersten eintreffenden Fernschreiben an Alpha befand sich die Meldung, dass Gerald Wolfe, der Agent "Silver", an seinem Schreibtisch im Büro der Steuerbehörde in Washington festgenommen worden war. Gegen Michael Meisner war ein Haftbefehl erlassen worden – er war inzwischen untergetaucht. Hubbard war vom Verschwinden Meisners nicht überrascht – dieser hielt sich in Beta auf, wo er mit einer neuen Identität und Erscheinung ausgestattet wurde. Mary Sues Plan war, dass er sich in irgendeiner grossen Stadt "verlieren" sollte.

Mary Sue traf ebenfalls bald in der Overland Avenue ein, um diese Situation und einige drängende familiäre Probleme mit ihrem Mann zu besprechen. Sie überzeugte ihn davon, dass sie ihr Familienleben in einer sicheren Umgebung wieder aufnehmen könnten, wenn es ihnen gelänge, eine abgelegene Ranch in Süd-Kalifornien zu finden; doch in Wahrheit war die Familie unter dem ständigen Druck, immer wieder fliehen zu müssen, längst auseinander gebrochen. Dianas Ehe befand sich in einer Krise, Quentin sollte eigentlich in der Org in Clearwater arbeiten, war jedoch dauernd abwesend, die unbekümmerte Suzette traf sich mit "Wogs" (Nicht-Scientologen) und Arthur hatte an der Kunstakademie von Kalifornien wieder aufgehört, nachdem der hilfsbereite Jim Dincalci seine Beziehungen hatte spielen lassen, um ihn überhaupt erst dort unterzubringen. "Ich brachte seine Zeichenmappe dorthin", sagte Dincalci, "erfand eine Geschichte über ihn und gab ihm einen falschen Namen, um zu verheimlichen, wer er wirklich war. Er wurde aufgrund der Qualität seiner Mappe akzeptiert und seine Eltern waren sehr glücklich darüber, doch er hielt es dort nicht lange aus."

Es war nur zu verständlich, wenn sich Mary Sue nach Stabilität sehnte, also wurden Suchtrupps ausgeschickt, um ein entsprechendes Grundstück für die Familie zu finden; Hubbard jedoch bestand darauf, dass der Ort genügend Platz für seine Messengers und den ständig wechselnden Hofstaat loyaler Mitarbeiter haben müsste. Der Kommodore konnte ein Leben ohne einen Schwarm von jungen und attraktiven Messengers um ihn, die nur auf sein Kommando warteten, nicht gutheissen.

Kima Douglas sah sich eine wunderbare Farm mit eigenem Strand nicht weit von Santa Barbara an und bettelte ihn an, sie zu kaufen, doch er hielt den Preis von 4 Mio. Dollar für zu hoch. Dann berichtete ein Suchtrupp aus der Gegend von Palm Springs von einer vielversprechenden Liegenschaft in der La Quinta Wüste auf der Ostseite der San Jacinto Mountains, die für 1,3 Mio Dollar zu haben wäre. Hubbard fuhr in seinem neuen roten Cadillac Eldorado Cabrio hin, um sie sich anzuschauen; er trug eine flotte kleine Mütze, die er über sein widerspenstiges langes Haar gezogen hatte, das jetzt endgültig grau geworden war. Es war nicht gerade ein unauffälliger Wagen, doch er hatte darauf bestanden einen solchen zu haben. Er fegte durch die hohen Tore der Olive Tree Ranch bei La Quinta, sah sich kurz um, erklärte sich zufrieden und kehrte sofort wieder nach Los Angeles zurück.

La Quinta lag ungefähr 20 Minuten von Palm Springs entfernt, ein ruhiger kleiner Ort mit preiswerten niedrigen Häusern, die auf einem ebenen Flecken sonnenverbrannter Erde zwischen den Bergen glühten. Die Olive Tree Ranch lag hinter dem verwahrlosten La Quinta Country Club; es wuchsen dort paradoxerweise Datteln und Zitrusfrüchte, doch keine Oliven. Das Haupthaus war eine ausgestreckte weisse Hacienda aus Lehmziegeln mit einem Dach aus roten Ziegeln, die einen Hof umschloss. Es gab einen Swimming Pool mit einer Insel in der Mitte, auf der sich überraschenderweise eine Palme befand, sowie zwei weitere kleinere Häuser. Das eine trug den Namen "Rifle" (dt: Gewehr), das andere "The Palms" (dt: Die Palmen).

Sobald der Kaufvertrag unterzeichnet war, zog eine Arbeitsgruppe aus dem RPF Los Angeles ein und begann mit den Renovierungsarbeiten und dem Umbau. Hubbard hatte sich entschieden, dass er in "Rifle" leben wollte; das Haus sollte komplett in weiss gestrichen werden, mit weissen Fliesen am Boden und komplett weissem Mobiliar. Fernschreiber wurden im Haupthaus installiert, doch man beabsichtigte, dass die Ranch soweit wie möglich von der Scientology Church abgeschirmt werden sollte. Jeder, der dort lebte, trug einen Tarnnamen; man durfte kein scientologisches Vokabular benutzen und keine einschlägigen Bücher auf das Grundstück bringen.

Die Hubbards zogen Anfang Oktober 1976 dort ein und begannen auf ihrer Ranch in der Wüste ein neues Leben voller Beschaulichkeit. Die Messenger bemerkten eine Veränderung beim Kommodore; er war viel entspannter als früher und für gewöhnlich guter Dinge. Doch am Mittwochmorgen, dem 17. November, als Doreen Smith zum Rifle hinüberlief, um ihre Schicht zu beginnen, konnte sie ihn aus vollem Hals schreien hören: "Dieser verdammte Idiot! Dieser verdammte Idiot! Schau nur, was er mir angetan hat! Verdammter Idiot...." Als sie näher kam, konnte sie ein weiteres ganz unirdisches, furchterregendes Geräusch hören. Es war Mary Sue; sie holte kaum Atem, doch sie stiess einen furchtbaren, endlosen spitzen Schrei aus.

Als sie das Haus betrat, fand sie den Messenger den sie ablöste in Tränen aufgelöst. Dieses Mädchen sagte ihr unter lautem Schluchzen, was passiert war: "Quentin hat sich umgebracht."



Quentin war am 28. Oktober um 9.32 in Las Vegas gefunden worden; er war über dem Lenkrad eines weissen Pontiac zusammengesackt, der neben der Sunset Road am Rande des Zauns der Nord-Süd Landebahn des McCarran Airports geparkt war. Alle Wagenfenster waren nach oben gekurbelt und ein weisser Staubsaugerschlauch führte vom Auspuff zu einem hinteren Entlüftungsfenster. Papiertaschentücher waren zwischen den Schlauch und den Rahmen des Fensters hineingestopft worden und der Motor lief noch.

Officer Burns von der städtischen Polizei Las Vegas traf zuerst am Schauplatz ein. Er riss beide Wagentüren auf und stellte fest, dass der junge Mann drinnen zwar bewusstlos, doch noch am Leben war – wahrscheinlich, weil der Schlauch vom Auspuff gerutscht war. Er trug keinerlei Identitätsnachweis bei sich und am Auto waren die Nummernschilder abgeschraubt worden. Es war nichts im Wagen ausser einem tragbaren Grundig Radio, einer Einkaufstasche mit verschiedenen Kleidungsstücken und einer offenen, halb leeren Flasche Tequila. "Der Wagen sah so aus, als ob die Person drinnen geschlafen hatte", stellt der Polizeibericht fest. "Die Person selbst war ungekämmt, die Kleidung war schmutzig und man könnte das Erscheinungsbild als das eines Obdachlosen oder Landstreichers beschreiben. Ein weisser Mann zwischen Mitte und Ende 20. Die Person wurde mit der Ambulanz ins Southern Nevada Memorial Hospital gebracht...." [9]

Da niemand wusste, wer er war, wurde Quentin als "John Doe" ins Hospital eingewiesen. Die einzigen Identitätsmerkmale, von denen das Hospital berichten konnte, waren sein rotes Haar und sein roter Schnurrbart. Er erlangte das Bewusstsein nicht mehr und starb am 12. November um 21.15. Der Polizeibericht vermerkt: "Möglicherweise Selbstmord".

Am Montag, den 15. November, begann der Untersuchungsrichter von Las Vegas mit Nachforschungen, um hinter die Identität von "John Doe" zu kommen. Sein Wagen, der beschlagnahmt worden war, wurde überprüft. Man fand einen Smog-Aufkleber der Florida Highway Patrol, ebenso die Identifikationsnummer des Wagens. Ein Telex der Zulassungsbehörde Floridas brachte zu Tage, dass der Wagen von einem Quentin Hubbard, wohnhaft in 210 South Fort Harrison Avenue, Clearwater, zugelassen worden war. Die Beschreibung des Wagens als auch des toten Mannes wurden mit der Bitte um Überprüfung an die Polizei von Clearwater gesandt.

Gleichen Tags abends um 20.40 rief ein Mann namens Dick Weigand vom Flughafen von Los Angeles aus beim stellvertretenden Untersuchungsrichter an und sagte, er würde in 5 Minuten nach Las Vegas abfliegen und hoffte, John Doe identifizieren zu können. Man kam überein, sich um 10 Uhr abends beim Gerichtsmedizinischen Institut an der Pinto Lane zu treffen. Weigand war ein hochrangiger Agent des Guardians Office. Er kam fünf Minuten zu spät an der Pinto Lane an und erklärte, er wäre von Kathy O"Gorman kontaktiert worden, die an der gleichen Adresse wie Quentin Hubbard in Clearwater lebte. Jedoch gab er an, er selbst hätte Quentin nur ein paarmal gesehen und wäre sich nicht sicher, ihn zweifelsfrei identifizieren zu können. Weigand besah sich den Körper zweimal, starrte in Quentins weisses Gesicht, bemerkte das nicht verwechselbare rote Haar und den Schnurrbart und schüttelte dann den Kopf – er wäre sich nicht sicher. Er konnte nicht weiterhelfen und wusste nicht einmal die Telefonnummer von Kathy Gorman in Clearwater. Weigand verschwand in die grelle Nacht von Las Vegas und rief sofort im Guardians Office an, um sie von der schlechten Nachricht zu informieren: Ja, es war Quentin.

Mary Sue schrie zehn Minuten lang als sie die Nachricht vernahm. "Es war einfach fürchterlich", sagte Kima Douglas. "Es ging immer weiter. Ich konnte nicht glauben, dass sie soviel Luft in ihre Lungen brachte. Das einzige Mal, als ich sie so weinen und schreien gehört hatte war, als ihr Corgi Vixie gestorben war. Ich musste dem Hund damals eine Mund-zu-Mund Beatmung geben und versuchen, ihn wiederzubeleben. Der alte Mann weinte nicht oder wurde auch nicht irgendwie sentimental. Er war wütend – wirklich böse darüber, dass Quentin das getan hatte."

Am selben Morgen rief ein Beamter der Polizei von Clearwater in Las Vegas an und informierte seine Kollegen dort darüber, dass die Adresse 210 South Fort Harrison Avenue das US Hauptquartier der Scientology Church war; jedoch weigerte sich Kathy O"Gorman, die Beauftragte der Church für Öffentlichkeitsarbeit, ihm irgendwelche Informationen zu Quentin Hubbard zu geben. Der Beamte sagte, dass die Polizei von Clearwater "viele Probleme" mit der Church hätte; soweit er wisse lebe ihr Gründer, L. Ron Hubbard, auf einer Jacht in der Bay.

Das Guardians Office hatte jedoch schnell reagiert, um die Situation zu "handhaben". Ihr lokaler Repräsentant war der Pit Boss (Spieltisch Aufseher) im Sands Hotel namens Ed Walters. "Ich arbeitete ungefähr acht Jahre als verdeckter Agent für sie", sagte er. "Ich hatte insgeheim einen Psychiater auf Band aufgenommen und ihn dazu gebracht, über Lobotomie zu sprechen um ihn so zu diskreditieren; ich hatte die Treffen der Clark County Mental Health Association verwanzt – solche Dinge eben. Ich beschäftigte mich mit allem, von dem die Org der Meinung war, dass es die Sicherheit der Hubbards bedrohen würde."

"Als sie herausfanden, dass Quentin hier war, wurde ich beauftragt, alle ärztlichen Unterlagen über ihn zu beschaffen. Es gab einen klaren Beweis dafür, dass er kurz bevor er gefunden wurde homosexuellen Kontakt gehabt hatte; sie wollten nicht, dass irgend etwas davon nach aussen drang. Es gab da ein Mädchen im Hospital, die auf einem Schlüsselposten sass; sie besorgte mir alle Berichte über Quentin und ich leitete sie an das Guardians Office weiter." [10]

Am Donnerstag Morgen, dem 18. November, betrat Arthur Maren das Büro des Untersuchungsrichters in Las Vegas und stellte sich als Direktor für Öffentlichkeitsarbeit der Scientology Church vor. Er sagte, er könnte den Körper zweifelsfrei identifizieren und um 11.25 bestätigte er, dass "John Doe" in der Tat der 22jährige Geoffrey Quentin McCaully Hubbard war. Maren sagte, dass Quentins Eltern sich nicht in den USA aufhielten, sondern sich auf einer Weltreise befänden.

Maren ging im Büro des Untersuchungsrichters während der nächsten Tage ein und aus und versorgte diesen mit Informationen, die dazu dienen sollten, von weiteren Nachforschungen über Quentins Tod abzulenken. Er überredete den Untersuchungsrichter sogar dazu, die Todesursache in einer Pressemitteilung als "unbestimmt" zu bezeichnen. Quentin war angeblich in Las Vegas gewesen, um sich die Anfordernisse zur Einschreibung an einer Flugschule zu holen.

Am Montag, den 22. November, stellte sich eine junge Frau namens Mary Rezzonico vor, die eine Vollmacht vorwies, unterschrieben von L. Ron Hubbard und Mary Sue Hubbard. Damit beanspruchte sie die Herausgabe der sterblichen Überreste Quentins und seiner Habseligkeiten. Rezzonico sagte, sie habe die Unterschriften "an einem nicht näher bezeichneten Ort in Irland" persönlich von den Eltern bekommen.

Quentin wurde am nächsten Tag im Palm Krematorium in Las Vegas eingeäschert. "Ich wusste, dass er homosexuelle Probleme hatte", sagte Ed Walters, "doch er war ein guter Bursche. Er war einfach ein junger, sanfter Bursche, nicht der rücksichtslose und harte Typ. Er hatte schon seit einige Zeit mit Scientology aufhören wollen, aber in Scientology kann man nicht einfach so aufhören. Du ziehst dich zurück und wirst umgehend zum Feind. Er wusste, dass sein Vater jeden brutal attackierte, der mit ihm gebrochen hatte und er wusste, dass ihn das Guardians Office als Verräter verfolgen würde. Er war in Scientology aufgewachsen und hatte vermutlich furchtbare Angst vor der Welt da draussen, die voll von Wogs und schlechten Leuten war. Er wurde einfach nicht damit fertig."

"Er war einfach ein wirklich bedauernswerter Bursche", sagte Kima Douglas. "Er war ein kleiner Junge ohne Boden unter den Füssen, der wusste, dass er es niemals mit seinem Vater aufnehmen konnte."

Ein letztes makaberes Kapitel sollte aber noch folgen. Quentin hatte beschlossen, am Ende einer Landebahn zu sterben, wo er die Flugzeuge beim Starten und Landen beobachten konnte, die er so gerne gesteuert hätte. Man entschloss sich also, seine Asche aus einem kleinen Flugzeug heraus über dem Pazifik zu zerstreuen. Frank Gerbode, ein Scientologe in Palo Alto, besass ein solches Flugzeug.

"Das Guardians Office rief mich an und bat mich, bei einem speziellen Projekt zu helfen", sagte Gerbode. "Ich sollte mit meinem Flugzeug raus auf den Pazifik fliegen, ein paar Leute vom Guardians Office würden dann die Asche von Quentin ausstreuen. Natürlich war das alles streng geheim. Das ganze stellte sich als grausiges Unterfangen heraus. Es ist nämlich gar nicht so einfach, kleine Teilchen aus einem Flugzeug herauszuwerfen – die Asche wurde vom Luftwiderstand wieder ins Flugzeug hineingedrückt. Noch Monate danach fand ich kleine Teilchen von Quentin Hubbard in den Polstern." [11]





Last updated: January 08, 2011

[1] Interview mit Frankie Freedman, Sherman Oaks, CA, August 1986
[2]
Interview with Jim Dincalci, Berkeley, CA, August 1986
[3] Interview with David Mayo, Palo Alto, August 1986
[4] Clearwater Sun, 5. Dezember 1975
[5] GO-Erlass 261175, 26. November 1975
[6] St. Petersburg Times, 9. Januar 1980
[7]
Interview mit Kima Douglas, Oakland, CA, Sept. 1986
[8] Interview mit Alan Vos, Maclean, VA, März 1986
[9] Bericht des Officers, D. R., Nr. 76-57596, Las Vegas Metropolitan Police Departement
[10] Interview mit Ed Walters, Las Vegas, August 1986
[11] Interview mit Dr. Frank Gerbode, Palo Alto, August 1986


Im englischen Original spricht der Autor dieses Buches von "Church", was in diesem Text als "Kirche" übersetzt werden könnte. Das würde aber im deutschen Text eine Aufwertung der Scientology Organisation bedeuten. Church bedeutet aber in den USA nicht unbedingt immer eine Kirche im herkömmlichen Sinn, sondern unter anderem auch eine Versammlung von Gemeindemitgliedern. Im Deutschen bedeutet Kirche "dem Herrn gehörig" (griech. kyriaké, althochdt. kiricha) und daher ist der Begriff Kirche in der deutschen Übersetzung nicht verwendbar.



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