BARE-FACED MESSIAH
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Kapitel 10

Kommunisten, Kidnapping und Chaos

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"Die Regierung der Vereinigten Staaten versuchte zu dieser Zeit [1950] das Monopol über alle seine Forschungen zu bekommen und wollte ihn dazu zwingen, an einem Projekt zu arbeiten, "um die Menschen beeinflussbarer zu machen"; doch als er sich weigerte, versuchte man ihn zu erpressen, indem man ihn wieder in den aktiven Militärdienst zurückbeorderte, damit er dort seine alte Funktion ausüben sollte. Aufgrund seine vielen Freunde, die er inzwischen gewonnen hatte, konnte er sofort seinen Abschied von der Marine nehmen und so dieser Falle entkommen. Die Regierung vergab ihm das nie und begann bald darauf mit bösartigen, versteckten Attacken auf internationaler Ebene gegen seine Arbeit. All diese Angriffe erwiesen sich als falsch und haltlos."
(Was ist Scientology?, 1978)

Scientologys Zusammenfassung der Jahre 1950-51.

*   *   *   *   *

Kalifornien, das für Modeerscheinungen und einfache Philosophien immer ein offenes Ohr hatte, war ein Biotop für Dianetik, und dorthin kehrte Hubbard Anfang August 1950 im Triumph zurück, gefeiert von begeisterten Dianetikern, die ihn am Flughafen von Los Angeles erwarteten. Zwei Jahre zuvor war er von hier als mittelloser Groschenroman-Autor abgereist; jetzt kehrte er als Berühmtheit zurück mit einem Buch, das sich fest an der Spitze aller Bestseller-Listen etabliert hatte – und einer wachsenden Schar von Anhängern, die fest davon überzeugt waren, dass er ein Genie war.

Er hatte einen dichtgedrängten Terminplan vor sich: Abgesehen von diversen Einladungen und Interviews sollte er an der neugegründeten Hubbard Dianetik Forschungsgesellschaft von Kalifornien Vorträge halten, alle grossen Buchläden wollten ihn für Autogrammstunden, und – am allerwichtigsten – er sollte am 10. August einer Versammlung im Shrine Auditorium beiwohnen. Das versprach eine Sternstunde für Scientology zu werden, denn an diesem Abend sollte der erste "Clear" der Welt vorgestellt werden.

Das Shrine war ein riesiges, moscheeartiges Gebäude mit weissen Stuckzinnen und einer Kuppel in jeder Ecke, vom Musikkritiker der LA Times unvergesslich als "Beispiel für die neue Gefängnis-Architektur Bagdads" charakterisiert. Erbaut 1925 von der Al Malaika Tempel-Bewegung, war es das grösste Auditorium in Los Angeles. Es bot unter seiner herabhängenden Decke, die einem Zeltdach nachempfunden war, Platz für 6500 Leute. Als die Hubbard Dianetik Forschungsgesellschaft das Auditorium für das Treffen am 10. August buchte, erwarteten nur Wenige, dass mehr als die Hälfte der Plätze besetzt sein würden.

Arthur Jean Cox, der junge Fernschreibtechniker, der Hubbard in der Los Angeles Science Fantasy Gesellschaft getroffen hatte, kam mit der Strassenbahn eher früh zu diesem Treffen und war verwundert, wie voll sie schon war. "Bei jeder Haltestelle stiegen mehr und mehr Leute ein", sagte er. "Ich konnte nicht glauben, dass all diese Leute zum Treffen fuhren, doch als wir beim Shrine in der Royal Street ankamen, stiegen alle aus. Ich war völlig baff. Als ich dann rein kam, waren nur mehr wenige Sitze frei.." [1]

Die Zuhörerschaft waren vor allem junge Leute, laut und gutgelaut. Viele hatten abgegriffene, anscheinend zerlesene Kopien von "Dem Buch" dabei in der Hoffnung, dass Hubbard es signieren würde; es gab viel Gerede über "den ersten Clear der Welt" und über dessen oder deren Fähigkeiten. Dutzende von Zeitungen und Magazinen, inclusive Life, hatten Reporter und Photographen geschickt, um über den Event zu berichten. Die Zyniker, die ein halb leeren Auditorium vorausgesagt hatten, waren voller Verwunderung, als sich sogar die Flügel zu füllen begannen.

Als Hubbard die Bühne betrat, gefolgt von A.E. van Vogt, den er kurz zuvor zum Anhänger rekrutiert hatte, sowie den weiteren Direktoren der Stiftung, gab es ein spontanes Getöse im Publikum, gefolgt von Applaus und Hurra-Rufen, die einige Minuten anhielten. Hubbard, sich seiner selbst ganz sicher und entspannt, lächelte breit, als er sich im vollbesetzten Auditorium umschaute und hob schliesslich die Hände um Ruhe zu bedeuten.

Das Treffen begann damit, dass Hubbard Dianetik-Techniken demonstrierte. Mit der Hilfe einer hübschen Blondine zeigte er, wie man die dianetische Träumerei hervorrief; dann "lief er ein Trauer-Ereignis" bei einem Mädchen namens Marcia. Während das Publikum pflichtgemäss applaudierte, wenn Hubbard am Ende jeder Demonstration mit erhobenen Armen dazu aufforderte, schien das ganze doch ein wenig zu gut einstudiert zu sein. Es gab zustimmendes Gemurmel, als jemand im Publikum aufstand und laut ausrief: "Meine Damen und Herren, ich kann mir nicht helfen, aber ich habe das Gefühl, dass das alles schon vorarrangiert ist."

Sofort begannen die Leute zu rufen, dass er jemanden aus dem Publikum nehmen sollte, um seine Technik zu demonstrieren. Als dann ein junger Mann auf das Piano im Orchestergraben sprang, kamen Rufe hoch: "Nehmen Sie ihn. Nehmen Sie ihn!" Hubbard, der durch diese Wendung der Ereignisse nicht im mindesten aus der Fassung gebracht wurde, lud ihn auf die Bühne ein. Der junge Mann stellte sich als Schauspieler vor, dessen Vater bei Freud studiert hatte. Dieser Zufall gab Hubbard die Gelegenheit, seine eigene Verbindung zu dem grossen Analytiker (mittels seines alten Freundes snake" Thompson) zu erwähnen.

Die beiden sassen sich am vorderen Ende der Bühne gegenüber, und Hubbard machte einen entschlossenen Versuch den Mann zu auditieren, doch der erwies sich als unproduktives Subjekt, der nahezu jede Frage negativ beantwortete. Das Publikum fing bald an sich zu langweilen, wurde unruhig und begann dann zu rufen: "Werfen Sie ihn raus!" Hubbard, vermutlich erlöst, schüttelte dem jungen Mann die Hand und dieser verliess die Bühne.

Die Atmosphäre war durchgehend herzlich, sogar als die gerufenen Kommentare des Publikums immer respektloser wurden. Als Hubbard die Vielzahl geistiger und körperlicher Verbesserungen erklärte, die von erfolgreichem Auditing herrührten, rief jemand: "Füllen sich deine Aushöhlungen auf?" und hatte damit die Lacher auf seiner Seite.

Als es dann auf den Höhepunkt des Abends zuging, war die Erwartung und Aufregung in der vollbesetzten Halle nahezu greifbar. Ein Psst! ging durch die Menge, als Hubbard schliesslich auf das Mikrophon zuging und "den ersten Clear der Welt" vorstellte. Es war, so sagte er, eine junge Frau namens Sonya Bianca, eine Physikstudentin und Pianistin aus Boston. Unter den vielen neu erworbenen Fähigkeiten behauptete er, dass sie auch "volle und perfekte Erinnerung an jeden Moment ihres Lebens" hatte; und diese Fähigkeit würde sie gerne auch demonstrieren. Er wandte sich langsam an den einen Seitenflügel der Bühne und sagte: "Würden Sie jetzt bitte herauskommen, Sonya?"

Das Publikum brach wieder in Beifall aus, als ein dünnes, offensichtlich nervöses Mädchen aus dem Seitenflügel ins Scheinwerferlicht trat, das ihr bis zur Bühnenmitte folgte; dort wurde sie von Hubbard umarmt. Mit zitternder Stimme erzählte sie der Versammlung, dass Dianetik ihre Stirnhöhlenprobleme aufgelöst und ihre "eigenartige und peinliche" Allergie gegen Farbe geheilt hatte. "Noch Tage, nachdem ich mit Farbe in Berührung gekommen war, hatte ich ein schmerzhaftes Jucken in meinen Augenbrauen", stammelte sie. "Jetzt haben sich beide Beschwerden aufgelöst und ich fühl mich wie eine Million Dollar." Sie beantwortete ein paar Routinefragen Hubbards, der aber dann den Fehler machte, Fragen des Publikums zuzulassen: Dieses hatte eindeutig spektakulärere Enthüllungen erwartet.

"Was haben Sie am 3. Oktober 1942 zum Frühstück gegessen?" rief jemand. Miss Bianca schaute begreiflicherweise etwas erschreckt, blinzelte ins Licht und schüttelte den Kopf. "Was steht auf Seite 122 des Dianetik-Buches?" fragte jemand anderer. Miss Bianca öffnete ihren Mund, doch es kam nichts heraus. Weitere ähnlich Fragen prasselten auf sie ein, begleitet von viel abwertendem Gelächter. Viele im Publikum hatten Mitleid mit dem erbärmlichen Mädchen auf der Bühne und stellten leichtere Fragen, doch sie war inzwischen so verängstigt, dass sie sich nicht einmal mehr an einfache Physik-Formeln erinnern konnte, ihrem eigenen Studienfach!

Als das Publikum daraufhin begann aufzustehen und das Auditorium zu verlassen, bemerkte ein Mann, dass Hubbard ihr gerade den Rücken zugewandt hatte – und er rief: "OK, welche Farbe hat Mr. Hubbards Krawatte?" Der erste "Clear" der Welt verkrampfte sein Gesicht in einem verzweifelten Versuch, sich daran zu erinnern, starrte schliesslich in die feindselige Dunkelheit des Auditoriums und liess dann den Kopf voll Beschämung hängen. Es war schrecklich.

Hubbard, dem die Schweissperlen auf der Stirn standen, trat nach vorn und brachte die Demonstration zu einem schnellen Ende. Schlagfertig wie immer gab er folgende Erklärung für Miss Biancas beeindruckende Gedächtnislücken an: Das Problem, dianetisch gesehen, war, dass als er sie "jetzt" nach vorne rief, hatte das "jetzt" sie in der Gegenwart quasi festgefroren und so ihre totale Erinnerungsfähigkeit blockiert. Das war zwar nicht wirklich überzeugend, doch andererseits das beste, was er in dieser Situation tun konnte.

Forrie Ackerman, der in jener Nacht in Shrine war, um den Auftritt seines Schützlings zu sehen, fasst die Eindrücke der vielen Leute, die dort waren, so zusammen: "Ich war irgendwie enttäuscht, dass ich keine vor Energie vibrierende Frau sah, die sich und die Situation im Griff hatte. Für mich war sie definitiv nicht "Clear"." [2]

Es sollte einige Zeit dauern, bis Hubbard wieder einen "Clear" produzierte, doch verkündeten seine Anhänger in ihrem Enthusiasmus häufig, dass ihre eigenen Protégés diesen gesengten Zustand schon erreicht hätten. Eine davon war ein 15-jähriges Mädchen von solch bemerkenswerten Kräften, dass man von ihr sagte, sie habe einen schlechten Zahn zum Ausfallen gebracht und sich dann einen neuen wachsen lassen. [3] Doch plädierte niemand dafür, sie bei einem öffentlichen Treffen zu präsentieren.

Das Debakel im Shrine war nicht mehr als ein kleines Problemchen auf der Glückssträhne des L. Ron Hubbard. Als Ackerman nach dem Treffen seinen Schützling in seiner Suite im Frostona Hotel in Los Angeles besuchte, klopfte Hubbard ihm auf die Schulter und verkündete lautstark: "Nun, Forrie, ich stell sogar Clark Gables Gehalt in den Schatten."

Das entsprach der Wahrheit: Das Geld floss buchstäblich in Strömen. Die ersten Wochen, nachdem van Vogt zugestimmt hatte, Chef der Los Angeles Foundation zu werden, tat er seinen Angaben zufolge kaum etwas anderes als Briefumschläge zu öffnen und 500 $ Noten herauszunehmen. Das Geld war von Leuten, die einen Auditoren-Kurs machen wollten. [4] Nur ein paar Tage nach dem Shrine Meeting verlegte die Foundation ihr Hauptquartier in den ehemaligen Sitz des Gouverneurs von Kalifornien, einem vom Palmen gesäumten Gebäude an der Ecke von South Hoover und Adams Street, das wegen seines spanischen Aussehens als "Casa" bekannt war. Obwohl es 4,5 Millionen $ kostete, konnte es aufgrund der hereingekommenen Gelder bar bezahlt werden. Weitere Zweigstellen der Foundation waren in New York, Washington DC, Chicago und Honolulu eröffnet worden.

Doch ebenso wie das Geld hereinfloss, floss es auch wieder ab; es gab keine Buchführung, keine Organisation, keinen Finanzplan bzw. Kontrolle. "Eines Tages rief mich der Manager unserer Bank an", sagte van Vogt. "Er sagte mir, dass Mr. Hubbard am Schalter sei und einen Scheck für 56.000 $ einlösen wollte. Er wollte wissen, ob er ihm das Geld geben durfte. Ich sagte: Nun, er ist der Boss!"

Hubbard versuchte, alle Zügel selbst in der Hand zu behalten und weigerte sich Sachen zu delegieren; er wurde dadurch immer autoritärer und misstrauischer gegenüber den Leuten um ihn herum. "Er hatte eine ganze Menge von politischen und organisatorischen Problemen mit Leuten, die nach der Macht griffen, sagte Barbara Kaye [Name geändert], eine ehemalige PR Assistentin in der Los Angeles Foundation. "Er traute niemandem und war sehr paranoid. Er glaubte, dass der CIA Auftragsmörder auf ihn angesetzt hätte. Wir gingen zum Beispiel die Strasse entlang und ich fragte ihn, warum er so schnell ginge. Er schaute dann über seine Schulter und sagte: "Du weisst ja nicht, was es heisst eine Zielscheibe zu sein!" Doch es stellte ihm niemand nach. Das war alles Selbsttäuschung."

Barbara Kaye wusste sehr viel über Ron, denn sie hatten eine Affäre mit ihm. Sie war gerade 20 geworden, eine ausserordentlich hübsche Blondine, die Psychologie studierte. "Ich wollte im PR-Bereich arbeiten und eine Agentur schickte mich zur Foundation. Sie suchten jemanden, der die skurrilen Attacken beantwortete, die die Presse gegen die Dianetik ritt. Ron führte eine Eignungsgespräch mit mir und stellte mich dann sofort ein.


Tekstvak:  

Zwischen seiner zweiten und dritten Heirat hatte Ron mit seiner PR Assistentin, der attraktiven Barbara Kaye, eine Affäre. Sie kam bald zu dem Schluss, dass er paranoid war.




"Mein erster Eindruck war der eines stämmigen, rothaarigen Mannes mit einem vollen, wabbeligen Gesicht – er war überhaupt nicht das, was man als attraktiv bezeichnete. Wenn ich ihn auf der Strasse gesehen hätte, hätte ich ihn keines zweiten Blickes gewürdigt; doch bekam ich bald mit, dass er eine sehr kreative, intelligente und beredte Person war. Er hatte eine wunderbare Persönlichkeit und war sehr dynamisch. Es gab zu dieser Zeit immer sehr viel zu tun im Büro, und manchmal, wenn es spät wurde, brachte er mich noch nach Hause. Eines Abends küsste er mich dann, und, naja, eines führte zum anderen. So fing alles an. Ich wusste, dass er verheiratet war, doch war ich zu der Zeit sehr jung und kümmerte mich nicht darum; vielleicht war das ein Fehler."

Es war dies eine Affäre, die in einen hektischen Zeitplan eingepasst werden musste. Hubbard hielt jeden Tag Vorträge in der Foundation – sieben Tage die Woche. A.E. van Vogt, der vorübergehend seine Tätigkeit als Science-Fiction Autor eingestellt hatte, stand jeden Tag um 5:30 in der Früh auf, um zur Casa hinunterzufahren und das Büro aufzusperren. Hubbard kam eine Stunde später und leitete die tägliche Sitzung der Kursleiter, von denen die meisten ihre einführende Ausbildung in Elizabeth, New Jersey, erhalten hatten. Um acht Uhr kamen die ersten Studenten. Hubbard trug von 8 bis 9 Uhr vor und gab dann von 9 bis 10 Uhr Demonstrationen.

"Wir hatten einen Vortragssaal, der 500 Personen fasste", sagte van Vogt, "doch die Vorträge waren immer voll. Sehen Sie, für den Mann von der Strasse gab es damals einfach keine entsprechende Therapieform. Psychoanalytiker waren auf verlorenem Posten, denn sie waren schon damals zu teuer, während wir einen kompletten Kurs für 500 $ anboten. Was mir immer noch im Kopf herumgeistert, ist die Fähigkeit Rons, frei von der Leber weg zu sprechen. Jeden Morgen ein anderes Thema. Das erstaunte mich wirklich. Die einzigen Überlegungen, die mir Ron dazu je mitteilte, waren, dass er Dinge beobachtet hatte, die in China abliefen. Ich glaube, er modifizierte chinesische Methoden."

Wenn er am Abend keine Vorträge hielt, verbrachte Hubbard seine Zeit mit Barbara, die sich bald hoffnungslos in ihn verliebte. Sie war begeistert, als Ron ein "Liebesnest"-Apartment für sie im Chateau Marmont Hotel mietete, einer nachgebauten Burg auf einem Hügel, der den Sunset Boulevard überblickte und einer der Lieblingsplätze für Filmstars war. In der ersten Nacht, die sie dort verbrachten, schien Ron sie von der Dauerhaftigkeit ihrer Beziehung überzeugen zu wollen. Er schlang den Arm um ihre Schulter und führte sie durch das Apartment. "Dies ist Deine Toilette, dies ist Dein Ankleidekommode, dies ist Deine Zahnbürste ..." Barbara war tief berührt.

Zwei Tage später kamen Sara und das Baby von der Ostküste in der Stadt an und zogen ins Liebesnest ein. Als Barbara am nächsten Morgen bei der Foundation zur Arbeit erschien, fand sie ihre Zahnbürste zusammen mit einigen weiteren persönlichen Dingen, die sie im Apartment gelassen hatte, auf ihrem Schreibtisch. Während sie mit Tränen in den Augen vor diesem armseligen kleinen Häufchen stand, kam Hubbard vorbei und zischte seine Entschuldigungen, wisperte, dass seine Frau eine "Hexe" sei und dass er nichts dagegen tun konnte. "Ich vermisse Dich", krächzte er. Dann, zu Barbaras Erstaunen, fragte er sie, ob sie mit ihm und Sara zu Abend essen wollte. Sprachlos konnte sie nur noch den Kopf schütteln.

Trotz dieser Verletzung brachte es Barbara doch nicht über sich, die Affäre abzubrechen. "Ich war vollkommen vernarrt in ihn. Ich erinnere mich, dass ich zu meiner Mitbewohnerin sagte (wir hatten damals ein kleines Apartment in Beverly Hills), "Wenn ich dir je sagen sollte, dass ich diesen Mann heirate, dann möchte ich, dass du mich hier festbindest und nicht zur Tür rauslässt, denn er ist ein Verrückter." Doch ich traute mir selbst nicht über den Weg, dass ich es vielleicht doch getan hätte, denn ich war so bezaubert von ihm. Mit ihm zusammen zu sein war wie einem faszinierenden Menschen bei einer Rolle auf der Bühne zuzuschauen. Mit ihm war mir nie langweilig. Er war ein magischer und reizvoller Mann, ein grosser Erzähler, sehr hell und amüsant und ein sehr sanfter, geduldiger und süsser Liebhaber."

"Zur gleichen Zeit nahm ich wahr, dass er auch irgendwie verwirrt war. Einige der Dinge, die er sagte, waren wirklich bizarr, doch ich wusste nicht, was ich ihm glauben konnte. Er sagte, seine Mutter sei lesbisch gewesen, und dass er sie zusammen mit einer anderen Frau im Bett gefunden habe; seine Geburt sei das Resultat einer versuchten Abtreibung gewesen. Er sprach viel über seinen Grossvater, der ordentlich einen trinken konnte und seine Fiddel mit dem geschnitzten Negerkopf spielte, doch sprach er nie über seinen Vater und erwähnte auch nicht ein einziges Mal, dass er Kinder hatte. Ich wusste nicht, dass er einen Sohn hatte, bis ich es dann Jahre später einmal in der Zeitung las."

Gegen Ende September begleitete Barbara in ihrer Eigenschaft als Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit der Hubbard Dianetic Research Foundation Ron auf einer Vortragsreise in die Region um San Francisco. Zu ihrer grossen Beschämung kam Sara zum Bahnhof, um sie zu verabschieden, küsste ihren Mann ostentativ zum Abschied und musterte Barbara vom Scheitel bis zur Sohle. Hubbard war es ebenfalls peinlich; er trank dann reichlich im Speisewagen, als der Zug Richtung Norden ratterte.

Seine Stimmung besserte sich schlagartig, als sie in San Francisco ankamen und er entdeckte, dass eine Willkommens-Grillparty im Haus eines örtlichen Dianektikers arrangiert worden war. Barbara jedoch war unglücklich – im Laufe des Abends war sie in die Küche gegangen und hatte Ron dabei überrascht, wie er gerade die Frau seines Gastgebers küsste. Später an diesem Abend, als sie sich weigerte, mit ihm zu schlafen, verlor er die Beherrschung und brüllte: "Alle sind gegen mich!" An diesem Abend schrieb Barbara in ihr Tagebuch: "Ich sehe ihn jetzt als eitel, arrogant, selbstsüchtig und unfähig, Frustration zu ertragen."

Sie rauften sich bald wieder zusammen, wie die folgende Passage in ihrem Tagebuch zeigt: "In Oakland lief es besser. Er nahm ein Penthouse für uns, ich war die ganze Zeit bei ihm und er verliebte sich wieder ein bisschen in mich; ich fühle mich ihm näher als je zuvor. Er trank exzessiv und redete in Proportion zu seinem Alkoholkonsum. Hauptsächlich groteske Geschichten über seine Familie und den Hass auf seine Mutter, von der er sagte, dass sie eine Lesbe und Hure war ... Er ist ein tiefunglücklicher Mann. Er sagte, das einzige Wesen, das ihm Zuneigung gezeigt habe, bevor er mich traf, war seine Katze Calico." [5]

Im Oktober kehrte Hubbard für ein paar Tage an die Ostküste zurück. Er wurde in Elizabeth mit der Nachricht empfangen, dass die Foundation in einer Finanzkrise steckte – die monatlichen Einkünfte konnten nicht einmal mehr die Personalkosten decken – und dass Joseph Winter, die soviel für die Anerkennung von Dianetik getan hatte, dabei war, sich zurückzuziehen.

Winter war von der Hubbard Dianetic Research Foundation tief enttäuscht. Er war nicht länger der Ansicht, dass Dianetik ungefährlich war – zwei Preclears hatten akute Psychosen während ihres Auditings entwickelt – und er machte sich grosse Sorgen darüber, dass die Foundation jedermann zum Auditorentraining akzeptierte.

"Die Leute hatten ziemlich oft Zusammenbrüche", sagte Perry Chapdelaine, ein Angestellter von Sears Roebuck aus Mason City, Iowa, der Student in Elizabeth war. "Es wurde immer vertuscht, bevor irgend jemand es mitbekam. Es passierte z. B. auch bei einem Burschen in meinem Kurs, einem Chemiker. Sie wollten ihn aus der Schule haben, und ich kümmerte mich freiwillig in einem angrenzenden Gebäude um ihn. Er schlief nicht mehr und ass nichts; er war in einem fürchterlichen Zustand. Man kam nicht mehr an ihn ran und am Ende brachten sie ihn in eine psychiatrische Klinik." [6]

Abgesehen von den – seiner Meinung nach – daraus resultierenden Gefahren, wenn man erlaubte, dass jeder jeden auditierte, waren Winter auch Zweifel darüber gekommen, ob der Zustand "Clear" wirklich erreichbar war. Schliesslich war er frustriert von der Tatsache, dass die Research (engl. für Forschung; d. Übers.) Foundation überhaupt keinen Versuch unternahm, irgendeine Art von seriöser wissenschaftlicher Forschung zu betreiben. Dies war jedoch eines seiner wichtigsten Anliegen. Er hatte seine wachsenden Bedenken bei verschiedenen Gelegenheiten formuliert, die dann von Hubbard unbekümmert zerstreut worden waren. Ihm wurde klar, dass er keine andere Alternative hatte als sich zurückzuziehen. [7]

Art Ceppos sympathisierte stark mit Winter und reichte ebenfalls seinen Rücktritt ein. Hubbards Reaktion war auf seine typische Art masslos. Verärgert und bitter darüber, dass zwei seiner frühesten Unterstützer (seiner Meinung nach) Verrat an ihm begangen hatten, verbreitete er Gerüchte, dass Winter und Ceppos beabsichtigt hatten, die Kontrolle über die Foundation zu übernehmen und demzufolge "gezwungen" wurden sich zurückzuziehen. [8]

Es war nicht Hubbards Stil, sich damit zufrieden zu geben, lediglich die Reputation seiner Feinde anzuschwärzen – er wollte Revanche. Gelegenheit dazu ergab sich in der unschönen Methode des Senators Joe McCarthy, seines Zeichens selbsterwählter Demagoge, der im Februar 1950 das State Departement angeklagt hatte, von Kommunisten und deren Sympathisanten unterwandert zu sein. Die Atmosphäre von Furcht und Verdächtigungen, die in der nachfolgenden Hexenjagd entstand, warf ihre Schatten über ganz Amerika; es gab kaum etwas schlimmeres in der McCarthy Ära als ein "Kommie" zu sein oder dafür gehalten zu werden. Am 3. November 1950 kontaktierte der Rechtsvertreter der Hubbard Dianetic Research Foundation in Elizabeth das FBI und gab an, dass Art Ceppos, der Chef des Hermitage House, ein kommunistischer Sympathisant war, der kürzlich versucht hatte, die Mailing-Liste der Foundation von 16.000 Namen in die Hände zu bekommen, die "für jeden wertvoll war, der Literatur der kommunistischen Partei verbreiten wollte." [9]

Hubbard blieb eine Woche in Elizabeth und unternahm wenig, um die Finanzkrise der Foundation zu lösen. Er war absolut nicht an Buchführung interessiert und gab sich dem optimistischen, wenn auch unrealistischen Glauben hin, dass am Ende alles irgendwie schon gut ausgehen würde. Weitere Probleme, wenn auch persönlicherer Natur, kamen bei seiner Rückkehr nach Los Angeles auf ihn zu: Er fing an zu vermuten, dass seine Frau ein Affäre hatte. Eines Abends hatte er auf ein eigenartiges Dinner mit seiner Frau und seiner Geliebten bestanden. Barbara, die diesen Einfall grauenhaft fand, kam dann widerwillig doch, um Ron und Sara in einem Restaurant in Los Angeles zu treffen. Sie war in Begleitung von Miles Hollister, einem der Kursleiter der LA Foundation. "Ich glaube, Sara wusste, was gespielt wurde", sagte Barbara. "Sie war sehr feindselig. Einmal während dieses Abends kamen wir auf das Thema Waffen und sie sagte, dass ich den Typen ähnlich schaute, die eine Saturday Night Special trugen."

Diese Dinner-Party erwies sich als Boomerang – der Begleiter seiner Geliebten wurde zum Liebhaber seiner Frau. Miles Hollister war 22 Jahre alt, gross, dunkelhaarig und auffallend attraktiv, ein Absolvent des Bard College in New York State, wo er Vorsitzender der Studentenschaft war; zudem hatte er als Sportler einen guten Ruf – er war der erste, der vor der Küste Floridas einen Schwertfisch nur mit leichtem Gerät gefangen hatte. Kurz und gut: Er war alles, was Hubbard nicht war: Jung, attraktiv, sportlich und mit guten Verbindungen. Es war kaum überraschend, dass Hubbard eine leidenschaftliche Abscheu gegen den jungen Mann hegte und vorhersehbar, dass er auf Vergeltung sann. Sein erster Schritt war eigenartigerweise nicht direkt – er feuerte zwei von Hollisters besten Freunden von der Foundation, indem er behauptete, dass sie Kommunisten wären.

Jack Horner, der zu der Zeit in der Foundation in Los Angeles arbeitete, versuchte zu ihren Gunsten zu intervenieren. "Das waren beides nette Burschen und hoch trainierte Kursleiter, also versuchte ich das Ganze wieder rückgängig zu machen. Ich ging zu Hubbard und stellte ihn in seinem Büro zur Rede: "Du kannst doch nicht einfach diese zwei Burschen feuern, Du hast doch gar keine Beweise." Er schimpfte und zeterte, schritt auf und ab, und sagte schliesslich: "Du verstehst nicht. Ich kämpfe hier in einer Schlacht. Vielleicht verliere ich ein paar Leute auf dem Weg, doch ich werde gewinnen."

"Hubbard war zu allem bereit, für ihn heiligte der Zweck die Mittel. Ein paar Wochen später ärgerte er sich über einen Typen namens Charlie Crail, der geholfen hatte, die LA Organisation aufzubauen. Sie waren sich uneins, wie die Organisation geführt werden sollte. Er rief mich und einen anderen Burschen in sein Büro und wollte, dass wir seine Dianetik-Zertifikate stahlen. Wir sagten ihn, dass wir das nicht tun würden, und dass er für solche Operationen nicht auf uns zählen sollte. Er verstand es nicht. Seiner Meinung nach gehörten die Zertifikate ihm, weil er sie ja unterzeichnet hatte. Es gab viele solcher Ereignisse, doch normalerweise war ich darauf vorbereitet mitzumachen, denn ich war der Meinung, dass sein Genius seine Verrücktheit in den Schatten stellte." [10]

Während seine Vermutungen weiter wucherten, verschlechterte sich Hubbards Beziehung zu Sara rapide. Eines Abends hatten sie eine gewalttätige Auseinandersetzung und Sara schrie ihn an: "Warum haust du nicht einfach ab und verbringst das Wochenende mit irgendeinem netten Mädchen?" Hubbard stürmte aus dem Haus, holte Barbara und fuhr zu einem Motel in Malibu, wo er den Grossteil des Wochenendes damit verbrachte, schlechtgelaunt Whisky in sich hineinzuschütten.

"Er war sehr niedergeschlagen wegen seiner Frau", sagte Barbara Kaye. "Er erzählte mir, wie er Sara getroffen hatte. Er sagte, er war auf einer Party und hatte zuviel getrunken, und als er am nächsten Morgen aufwachte, fand er Sara in seinem Bett. Er hatte sehr viele Probleme mit ihr. Ich erinnere mich daran, dass er sagte, ich wäre die einzige Person, die er kannte, die für ihn ein weisses Seidenzelt aufstellen würde. Ich war ziemlich überrascht, als er dann auf unserer Rückfahrt nach Los Angeles am Sonntag Abend bei einem Blumenladen stoppte, um Blumen für seine Frau zu kaufen."

Barbara führte minutiös Tagebuch, in dem sie fortwährend ihre Beziehung zu Hubbard analysierte, über seinen geistigen Zustand spekulierte und das tägliche Drama beschrieb. Am 27. November notierte sie, dass Hubbard an diesem Morgen "emotional furchtbar aufgewühlt" in ihr Büro stürmte. Sara hatte übers Wochenende versucht sich mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen, so sagte er, nachdem Barbara mit Sara telefoniert hatte. Er vermutete, dass Barbara sie über ihre Affäre informiert hatte.

Das war jedoch nicht wahr. Barbara hatte angerufen, um mit Hubbard über die Foundation zu sprechen und hatte dann nur ein paar Worte mit Sara gewechselt, als sie hörte, dass er nicht da war. Hubbard glaubte ihr nicht: Er hatte Sara auditiert und "ein Engramm entdeckt", das besagte, dass Saras Selbstmordversuch von Barbaras Telefonanruf ausgelöst worden war.

Eine hitzige Auseinandersetzung war unausweichlich, und Barbara rekonstruierte die ausserordentlichen "Highlights" in ihrem Tagebuch. Das Ganze hatte den Charakter einer Seifenoper:

ICH: Du machst es Dir wohl zur Gewohnheit Engramme auch zu verursachen, oder? Das ist ein tolles Verhalten für den Gründer von Dianetik.

ER: Ist es nicht aufregend, der Bauer auf so einem grossen Schachbrett zu sein? Du spielst für die Welt. Kannst Du Dir irgendetwas aufregenderes vorstellen?

ICH: Die Welt ist mir verdammt nochmal egal. Ich möchte nur eine einzige zufriedenstellende, menschliche Beziehung.

ER: Du könntest keine haben. Du bist eine ambitionierte Frau. Du sehnst Dich nach Macht. Du bist eine Marie Antoinette, eine Cleopatra, eine Lucretia Borgia ... du brauchst einen Cäsar oder Alexander.

ICH: Nein, ich brauche keinen Cäsar, doch Cäsar braucht möglicherweise mich. Ich kenn dich jetzt, Ron. In diesem Moment bin ich Dir näher, als Dir je jemand gekommen ist.

ER: (lässt den Kopf hängen) Und da du mich jetzt kennst, bin ich dir egal.

ICH: Ich kümmere mich um Dich auf eine andere, neue und aufregende Weise. (Er legt seine Hände auf meine Schultern und zieht mich an sich.)

ER: Ich sollte das jetzt nicht tun. (Er küsst mich.)

ICH: Du kümmerst dich immer noch um mich.

ER: Woher weisst du das?

ICH: Du kannst deine Rolle nicht finden. Du bist abgelenkt.

ER: Und das gibt dir das Gefühl von Macht, oder?

ICH: Das macht mir etwas bestimmtes bewusst. Du willst mich immer noch.

ER: Warum?

ICH: Weil du mich brauchst. Du brauchst mich mehr, als ich dich brauche.

ER: 1939 war ich sehr verliebt in ein Mädchen. Sie hatte die gleichen Gefühle. Als ich mitbekam, dass sie sich mit einem anderen Mann einliess, wartete ich mit einem Gewehr auf den Treppenstufen auf sie, nur für einen Moment. Dann sagte ich mir: Das sind alles nur Fliegen. Ich realisierte, wer und was ich war und ging weg. Ich sagte ihr, ich würde sie freigeben, damit sie ein Ass mit einer Zigarre im Mund aus Muncie, Indiana, heiraten könnte. Willst du freigegeben werden?

ICH: Die Alternative ist ein Ass mit einer Kool Zigarette aus Elisabeth, New Jersey.

ER: Das war unklug, sehr unklug von dir, das zu sagen.


Barbara entdeckte erst zwei Tage später, wie unklug das war, als sie eine knappe Meldung über Western Union erhielt: "Würde Dir raten, mich und die Foundation komplett zu vergessen – Ron." "Ich war schockiert", erinnerte sie sich. "Hier war der Mann, mit dem ich angeblich eine tolle Liebesaffäre hatte, und er erklärte mir, dass ich gefeuert war."

Währenddessen bemühte sich A.E. van Vogt, die Foundation in Los Angeles am Laufen zu halten. Seiner Kalkulation nach hatten die sechs Hubbard Dianetic Research Foundations ungefähr 1.000.000 $ ausgegeben und waren mit mehr als 200.000 $ verschuldet. Als Hubbard Anfang November an der Ostküste war, entliess van Vogt die Hälfte der 60 Mitarbeiter um zahlungsfähig zu bleiben. Hubbard war darüber erbost und begann gleich nach seiner Rückkehr wahllos Leute wieder einzustellen: Innerhalb einer Woche war die Lohnliste wieder auf 67 Personen angewachsen. Van Vogt protestierte, doch Hubbard bestand darauf, dass die zusätzlichen Mitarbeiter notwendig für seine Forschungen waren. "Ein finanzielles Desaster war damit unausweichlich", sagte van Vogt. [11]

Einer seiner Forschungsprogramme, die ihn sehr faszinierten, war das sogenannte "GUK" Programm. "GUK" war ein willkürlicher Cocktail von Amphetaminen, Vitaminen und Glutaminsäuren, von dem Hubbard glaubte, dass er das Auditing vereinfachte. "Ich erinnere mich daran, wie mir Hubbard von diesem grossen Durchbruch in der Dianetik erzählte", sagte Forrest Ackerman. "Er sagte, dass er einen chemischen Weg für das Selbst-Auditing namens "GUK" entdeckt hatte. Es bestand aus riesigen Mengen an Vitaminen, die man alle 2 Stunden mindestens 24 Stunden lang nehmen musste. Wenn man genug genommen hatte, würde das seiner Meinung nach die Engramme auflösen, ohne dass man einen Partner dazu benötigte. Die Foundation mietete einen riesigen Komplex bei Rossmore in der Nähe von Beverly, und eine Menge Dianetiker wurden dort hineingesteckt, die durch das GUK Programm durchmussten, doch dauerte das nicht sehr lange – ich denke, das war eine Sackgasse."

Im Dezember veröffentlichte das Look Magazin einen vernichtenden Artikel unter dem Titel "Dianetik – Wissenschaft oder Schwindel?" Der Text liess dem Leser keine Zweifel, wie das Magazin darüber dachte. "Eine halbe Million Laien haben diese Psychiatrie für den Mann auf der Strasse bisher geschluckt", begann der Artikel. "Hubbard hat wieder einmal demonstriert, dass Barnum die Geburtenrate an Trotteln unterschätzt hat." Die Zehntausenden von Menschen, die Hubbards Doktrin geschluckt hatten, wurden charakterisiert als "die üblichen irren Freaks, frustrierte Jungfern, die sich bisher durch alle möglichen Kulte durchjongliert hatten, und junge Männer, deren homosexuelle Engramme nur allzu offensichtlich waren...". Der Artikel verwies auf die "Furcht und tiefe Abscheu", mit der die Medizin die Dianetik betrachtete und zitierte einen Arzt von der berühmten Menniger Klinik in Topeka, Kansas, der einräumte, dass psychisch Kranke vorübergehende Linderung durch den "dianetischen Hokus-Pokus" erfahren konnten, ebenso wie zum Beispiel durch Hypnose oder Voodoo. "Doch der wahre Schaden wird nicht durch die tückische Natur der Dianetik angerichtet, sondern weil der Patient dadurch von einer dringend notwendigen Behandlung abgehalten wird", so der Arzt.

Hubbards primäre Anziehungskraft, so schloss das Magazin, resultierte aus der Tatsache, das seine Ersatzpsychiatrie allen zugänglich war. "Es ist billig. Es ist greifbar. Es ist ein Attraktion, die in Clubs und bei Partys gespielt werden kann. In einem Land mit nur 6000 professionellen Psychiatern, deren üblicher Stundensatz bei 15 $ anfängt, hat Hubbard Methoden für die Massen vorgestellt. Ob diese Methoden aber helfen, wenn man wirklich krank ist, ist der strittige Punkt."

Wie immer angesichts einer Attacke und speziell von den von ihnen verachteten Medien gab es einen Schulterschluss unter den Dianetikern. Bei der Weihnachtsparty der LA Foundation, die von Mitarbeitern und Studenten gleichermassen besucht wurde, war jedenfalls kein Mangel an Begeisterung spürbar. Barbara Kaye kam ebenfalls und wurde von Hubbard zum Tanzen aufgefordert. "Ich brauche einen Rat, Herr Doktor", flüsterte sie in sein Ohr. "Was machen sie mit einem Preclear, der ständig davon träumt, mit ihnen im Bett zu liegen?" Er grinste breit und antwortete: "Ich denke darüber nach, eine Reihe von empirischen Tests zu machen, die darin resultieren sollen, den Traum durch Realität zu ersetzen." Innerhalb von ein paar Tagen nahmen sie ihre Affäre wieder auf. An Silvester ging Hubbard nicht zu der Party, die er hätte mit Sara besuchen sollen, sondern verbrachte stattdessen die Nacht mit Barbara in ihrem Apartment am Dale Drive in Beverly Hills.

Im Januar 1951 leitete die Ärztekammer von New Jersey ein Verfahren gegen die Hubbard Dianetic Research Foundation in Elizabeth ein. Anklagepunkt war das Lehren von Medizin ohne entsprechende Genehmigung. Die Foundation heuerte einen Rechtsanwalt an, der zuversichtlich war, die Klage abwenden zu können; doch die Direktoren der Foundation waren der Meinung, es wäre besser, das Ganze bleiben zu lassen. Man forschte nach, ob es nicht einen Staat gäbe, in dem sie willkommener wären. [12] Hubbard, dem klar wurde, dass die Aussichten in New Jersey alles andere als rosig waren, bat zwei verlässliche Studenten – John Sanborn und Greg Hemingway, den jüngsten Sohn des Schriftstellers – all seinen persönlichen Besitz in seine schwarze Lincoln Limousine einzuladen und damit nach Los Angeles zu fahren.

In der Zwischenzeit überredete Ron Sara, ihn mit dem Baby nach Palm Springs zu begleiten. Vermutlich hoffte er immer noch, seine Ehe retten zu können. Er hatte dort ein einstöckiges Ziegelhaus mit einem kleinen Garten voll blühender Sträucher an der Mel Avenue gemietet. Wie er erklärte, wollte er von den Ablenkungen in Los Angeles weg, um an einem Nachfolgebuch für Dianetik zu schreiben. Es sollte Die Wissenschaft des Überlebens heissen und schnellere, vereinfachte Auditing-Techniken vorstellen.

Hubbard, Sara und Alexis wurden von Richard de Mille nach Palm Springs begleitet, der kurz zuvor zum persönlichen Assistenten Hubbards ernannt worden war. "Obwohl mir das damals nie aufgefallen ist, denke ich doch, dass das etwas mit meinem Namen zu tun hatte", bestätigte de Mille. "Er liebte es, Berühmtheiten um sich zu sammeln. Nachdem ich den Artikel in Astounding gelesen hatte, wollte ich sofort in die Dianetik einsteigen. Ich arbeitete dann in der LA Foundation und redigierte seine Vorträge für die Veröffentlichung, als er mich fragte, ob ich ihn nach Palm Springs begleiten wollte."


Tekstvak:  

Richard de Mille und Barbara Kaye beim Haus in Palm Springs, wo Hubbard plante, seine Tochter Alexis zu kidnappen.




Zu der Zeit gab es viel Unruhe und Meinungsverschiedenheiten in der Foundation; er beschuldigte die Kommunisten, dass sie versuchen würden, die Kontrolle zu übernehmen; zudem hatte er Probleme mit Sara. Es war offensichtlich, dass ihre Ehe auseinanderbrach – sie war sehr kritisch ihm gegenüber. Er erzählte mir ausserdem, dass sie etwas mit Hollister hatte und dass er ihr nicht traute." [13]

Es war absehbar, dass Sara nicht sehr lange in Palm Springs blieb – sie konnte die Spannungen nicht mehr ertragen. Hubbard versuchte nicht, sie zurückzuhalten und sobald Sara und Alexis nach Los Angeles aufgebrochen waren, sandte er ein Telegramm an Barbara Kaye. Er schrieb ihr, dass er sie liebte und brauchte. Sie nahm am 3. Februar einen Bus nach Palm Springs und wurde von Hubbard an der Busstation abgeholt. "Wie er so auf mich zuschritt", sagte sie, "konnte ich sehen, dass er krank war."

Kaye, die später Psychologin wurde, sagte, sie erstellte eine klinische Diagnose Hubbards während der Wochen, die sie zusammen in Palm Springs verbrachten. "Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er manisch-depressiv mit paranoiden Tendenzen war. Viele Maniker sind bezaubernde, produktive Menschen mit ungeheurer Energie und Selbstvertrauen. Er war genau so in seinen manischen Stadien – enorm kreativ, mitgerissen von seinem Gefühl von Omnipotenz und immerzu von seinen grandiosen Projekten redend."

"Doch als ich ankam war er in tiefer Depression. Er war völlig unfähig gewesen, an seinem Buch zu arbeiten, das ursprünglich hätte in diesem Monat herauskommen sollen. Deswegen hatte er mich auch zu sich gerufen – er hatte gehofft, ich könnte ihm helfen, durch diese Schreibblockade hindurchzukommen. Er war sehr unglücklich und lethargisch, lag nur herum, erging sich in Selbstmitleid und trank sehr viel. Manchmal ging er zum Klavier und spielte rum, improvisierte schräge Melodien, die er selbst komponiert hatte. Er war der Meinung, dass Sara ihn im Schlaf hypnotisiert und ihm diese Schreibblockade eingegeben hatte. Er sagte mir, dass die Leute in Elizabeth versucht hatten, ihm "einen Mickey in sein Glas Milch zu schütten". Ein anderes Mal hatten sie angeblich versucht, eine fatale Hypnose in seine Augen und sein Herz einzubringen, um ihn daran zu hindern, jemals wieder etwas zu schreiben. Das waren die Engramme, die bei ihm abliefen."

"Ich versuchte ihm zu helfen, indem ich eine Technik anwandte, die ich im College gelernt hatte, nämlich das Problem in kleine Teile zu zerlegen und es Schritt für Schritt anzugehen. Ich nahm also einen Stoss Papier und sagte zu ihm: schau, du musst nicht schreiben. Setz dich einfach an diesen Tisch und schau dir das Papier an; wenn du es nicht mehr anschauen willst, dann steh auf und geh weg." Er sass dann am ersten Tag für 10 Minuten da – dies ging dann einige Tage so, bis er eines Tages den Stift nahm und zu schreiben anfing. Am nächsten Tag war er wieder mittendrin in seiner Arbeit, sehr euphorisch und aufgeregt über das, was er da zu Papier brachte. Er sang und redete, lachte und diskutierte in der Küche Ideen bis um drei Uhr morgens."

Eines von Hubbards Lieblingsthemen in der Konversation waren Psychiater. Eines Abends beim Essen sagte er Barbara, dass er bei einer Gelegenheit einer Gruppe von Psychiatern Auditing-Techniken demonstriert hatte. Einer von ihnen hatte zu ihm gesagt: "Wenn sie behaupten, dass sie damit Leute heilen können und nicht aufpassen, dann sperren wir sie ein." Er lachte übermässig, nahm einen Bissen von einer Hühnerkeule und stotterte: sie haben mich paranoid genannt, kannst du dir das vorstellen?" In dieser Nacht schrieb Barbara in ihr Tagebuch: "Das Blut gefror mir in den Adern, als er das sagte. Ich hätte heulen können in dem Moment."

Barbara war fast drei Wochen in Palm Springs, als Ron begann sich Sorgen zu machen, dass sich etwas in Los Angeles zusammenbraute. Er entschied, dass sie sofort zurückkehren sollten, auch wenn das Buch noch nicht fertig war.

"Als wir dann zurück waren, habe ich ihn eine ganze Woche nicht gesehen", sagte Barbara. "Dann tauchte er eines Nachmittags bei mir um fünf Uhr auf; er war sehr verwirrt und bleich, seine Haare waren ganz durcheinander. Er ging in meinem Zimmer auf und ab und erzählte mir, dass er Miles und Sara zusammen im Bett entdeckt hatte. Er befürchtete, dass sie zusammen mit einem Psychiater in San Francisco planten, ihn dazu zu bringen, dass er sich in ein psychiatrisches Krankenhaus einliefern liess. Sara hatte Jack Maloney, den Generalmanager in Elizabeth, angerufen und gesagt, ein Arzt hatte empfohlen, dass er – Ron – wegen paranoider Schizophrenie behandelt werden sollte. Er sagte, er habe vier Briefe, die bewiesen, dass Miles mit Ceppos und Winter konspirierten, um die Kontrolle über die Foundation zu bekommen. "Bitte frag mich nichts", fuhr er fort. "Mir geht es sehr schlecht. Ich gehe für ein paar Tage alleine in die Wüste. Die Dinge stehen schlecht." "

Hubbard ging nicht alleine in die Wüste. Er hatte andere Pläne: Er wollte Sara zuerst ausliefern, bevor sie ihn einlieferte. Doch zunächst musste er Alexis kidnappen.

Am Samstagabend, dem 24. Februar 1951, passte John Sanbon auf die 11-monatige Alexis Hubbard in der Casa an Hoover und Adams in Los Angeles auf. Einige der Mitarbeiter inklusive Samborn, lebten in einem Flügel des Hauses. Sanborn und Greg Hemingway waren gewöhnlich mit Hank und Marge Hunter zusammen, die in der Forschungsabteilung arbeiteten. Sie assen meistens auch zusammen in einem kleinen Restaurant namens "The Bread Line". Marge, die mit Sara befreundet war, hatte ein Töchterchen im gleichen Alter wie Alexis; deswegen liess auch Sara Alexis gelegentlich bei Marge, wenn sie ausgehen wollte.

An diesem speziellen Samstagabend war Sanborn müde, und als der Vorschlag aufkam, sie sollten doch alle ins Kino gehen, schlug er vor dazubleiben und auf die Kinder aufzupassen. Er hatte das zuvor schon oft gemacht, wusste alles über das Windelwechseln und Fläschchen-Geben. Marge war ihm dankbar und ging mit den anderen, froh darüber, einen freien Abend zu haben und liess ihre Tochter Tam und "Lexie" in der Obhut von Sanborn.

Um ungefähr 23 Uhr wurde heftig an der Tür geklopft. Sanborn öffnete und fand Frank Dessler, einer von Hubbards Helfern, draussen auf den Stufen; er trug einen langen Übermantel und einen Filz-Schlapphut. Seine Hände steckten in den Manteltaschen auf eine Weise, die Sanborn glauben liess, dass er eine Pistole hielt. "Mr. Hubbard kommt", brummte Dessler, "Er ist hier um Alexis zu holen." Sanborn dachte, dass das eine äusserst eigenartige Zeit war, sie zu holen, doch er sagte nichts.

Ein paar Minuten später betrat Hubbard das Haus, ebenfalls mit Übermantel und Filzhut bekleidet. "Wir holen nur Alexis", sagte er. Sanborn führte sie zu dem Raum, in dem beide Kinder schliefen. Hubbard lehnte sich über sie und nahm ein Spielzeug aus Alexis Wiege. "Gehört das ihr?" fragte er. Sanborn schüttelte seinen Kopf, und Hubbard warf es auf den Boden. Während sie die Babysachen zusammensuchten, fing Sanborn an zu erklären: "Also, wenn sie in der Nacht aufwacht, dann muss man folgendes machen...", doch Hubbard schnitt ihm das Wort ab. "Darum kümmere ich mich nicht. Wir haben ein Kindermädchen und bringen sie nach Palm Springs." Er hob die schlafende Alexis aus ihrer Wiege und eilte fort in die Nacht.

Sanborn machte sich träge Gedanken was da wohl vor sich ging, doch ging er bald darauf wieder zu Bett. Um 1 Uhr Morgens wurde er unsanft aus dem Schlaf gerüttelt; als er langsam zu sich kam, sah er Miles Hollister über sich an seinem Bett stehen. Wenn er nicht so müde gewesen wäre, hätte er lachen können: Hollister trug ebenfalls einen langen Übermantel und Filzhut und auch er schien eine Pistole zu haben. "Wo hat Ron Lexie hingebracht?" fragte er fordernd. Sanborn rieb sich die Augen und murmelte: "Palm Springs". "Wann sind sie losgefahren?" Anscheinend antwortete Sanborn nicht schnell genug, denn Hollister schrie ihn an: "Wann sind sie losgefahren?" Sanborn sagte es ihm, und Hollister stürzte aus dem Raum. Ein paar Minuten später hörte Sanborn Hollister draussen seinen Wagen wenden.

Hollister fuhr mit hoher Geschwindigkeit aus der Stadt und in Richtung Palm Springs; das war genau das, was Hubbard beabsichtigt hatte. Inzwischen jedoch hatte er Alexis an die "24 Stunden Krankenschwestern Agentur Westwood" übergeben. Hubbard, der sich als Geschäftsmann James Olsen vorstellte, hatte darum gebeten, dass seine Tochter Anne Marie bei einer kompetenten Krankenschwester für etwa einen Monat in Pflege genommen werden konnte, denn seine Frau war plötzlich schwer erkrankt und er selbst musste aufgrund dringender Geschäfte sofort an die Ostküste. Melba McGonigel, die Eigentümerin der Agentur, war zwar äusserst misstrauisch, willigte jedoch schliesslich ein, als "Mr. Olsen" ein Informationsblatt unterzeichnete, das die Agentur von jeglicher Verantwortung entband.

Kurz nach ein Uhr morgens am 25. Februar fuhr ein schwarzer Lincoln bei Hubbards Apartment an der 1251 Westmoreland Avenue in West Los Angeles vor. Richard de Mille war am Steuer, Hubbard und Dessler sassen im Fond des Wagens. Drinnen im Haus sass Sara in ihrem Nachthemd am Telefon, weinte in ihr Taschentuch und wartete auf Nachrichten über Alexis. Sie sprang alarmiert auf, als sie einen Schlüssel an der Tür hörte, doch verwandelte sich ihre Furcht in Ärger, als ihr Ehemann und Dessler an der Tür erschienen. "Wo ist Lexie?" schrie sie. Keiner der beiden sagte ein Wort. Sie nahmen sie unter den Armen, und einer von ihnen hielt ihr die Hand auf den Mund. Sie drängten sie aus dem Haus, über den Gehsteig und auf den Rücksitz des Wagens, der dann in hohem Tempo davonbrauste.

Sara kämpfte wie eine Katze auf dem Rücksitz des Wagens, kreischte und schrie Hubbard an, der sie im Gegenzug ebenfalls anbrüllte. Als der Wagen dann bei einer roten Ampel zum Stehen kam, versuchte sie herauszuspringen. Danach packte Hubbard sie am Nacken wie in einem Würgegriff, während der Streit sich fortsetzte. "Sie war wutentbrannt darüber, so verschleppt zu werden und wetterte Beleidigungen in alle Richtungen", sagte de Mille. "Sie war sehr verbittert über ihre Ehe und sein Verhalten – und Ron wetterte gegen Miles Hollister und ihr Verhalten."

An der Stadtgrenze von Los Angeles wurde Dessler abgesetzt, und der Lincoln brauste weiter Richtung San Bernadino. Ron hoffte, dass Sara dort ärztlich untersucht und für verrückt erklärt werden würde. "Sie war begierig darauf, das gleiche Urteil über ihn zu hören", erklärte de Mille, "doch zu dem Zeitpunkt hatte Ron alle Trümpfe in der Hand." Es folgte eine haarsträubende Farce, als sie durch die nächtlichen Strassen von San Bernardino kreuzten und versuchten einen Arzt zu finden, während Sara abwechselnd schrie und klagte, ihr Ehemann solle ihr sagen, wohin er Alexis gebracht hatte. Schliesslich ging Hubbard ins Distrikt-Krankenhaus, während de Mille im Wagen auf Sara aufpasste. Er kehrte nach ein paar Minuten zurück, offensichtlich überrascht und empört darüber, dass zu dieser frühen Morgenstunde kein Arzt verfügbar war, der gewillt war, seine Frau für verrückt zu erklären.

Im Morgengrauen konnte man den Lincoln sehen, wie er in einer Wolke aus Staub in der Wüste Richtung Osten zur Grenze nach Arizona fuhr; Hubbard hatte de Mille beauftragt, den Flughafen von Yuma anzusteuern. Das Gezanke und Gezeter im Fond des Wagens hatte nicht einen Moment aufgehört. Sara schwor wieder und wieder, dass sie Ron wegen Kidnapping hinter Gittern bringen würde, sobald sie wieder frei war, und er schwor ihr, dass sie dann Alexis niemals wiedersehen würde. Die wechselseitigen Drohungen und Beschuldigungen setzten sich fort, während Hubbard angestrengt darüber nachdachte, wie er sich aus dieser Situation wieder herauswinden konnte.

Nachdem der Wagen im wässrigen Sonnenschein dieses frühen Morgens in einer ruhigen Ecke des Flugplatzes von Yuma zum Stillstand gekommen war, einigte sich das streitende Paar schliesslich auf eine temporäre Waffenruhe. Hubbard versprach, Sara freizulassen und ihr zu sagen, wo sich Alexis befand, wenn sie ein Papier unterzeichnen würde, in dem sie bestätigte, dass sie freiwillig mit ihm gegangen war. Sara unterschrieb unter Tränen, und Hubbard kritzelte eine Notiz an Dessler: "Feb. 25 – An Frank: Dieses Papier autorisiert Sara, Alexis mit sich zu nehmen, sobald sie ein Haus hat. L. Ron Hubbard." Er schrieb schnell den Namen der Agentur hin, die angeblich für Alexis sorgte – "Babysitters Inc., im Telefonbuch von Hollywood" – und fügte hinzu: "Gib Sara die Adresse des Babys jetzt, so dass sie sie sehen kann."

Hubbard und de Mille stiegen aus, und Sara – immer noch in ihrem Nachthemd – fuhr zurück nach Los Angeles, in ihrem Händen das Stück Papier, von dem sie glaubte, dass es sie zu ihrem Baby bringen würde. Doch Hubbard hatte nicht die Absicht, solch ein Wiedersehen zu ermöglichen. "Er glaubte, solange er das Baby hatte, könnte er die Situation kontrollieren", erklärte de Mille.

Während Sara auf ihrem Weg zurück nach Los Angeles war, stand Hubbard in einer Telefonzelle am Flughafen von Yuma und gab dringende Instruktionen an Frank Dessler durch. Er sollte Alexis von ihrem Kindermädchen holen bevor Sara dort auftauchte. Ohne Rücksicht auf die Kosten sollte er dann ein verlässliches Paar anheuern, das das Baby nach Elizabeth, New Jersey, bringen sollte, wo Hubbard sie treffen würde.

Sara brauchte nicht lange um zu entdecken, dass Ron sie in die Irre geleitet hatte, doch zu der Zeit, als sie Dessler davon überzeugt hatte, den Aufenthaltsort des Babys preiszugeben, war es schon zu spät. Sie erreichte die Westwood Schwestern-Agentur zwei Stunden, nachdem das Baby dort abgeholt worden war. Sara reichte ein Kidnapping-Klage bei der Polizei von Los Angeles ein, doch Hubbard hatte wieder Glück – die Polizei tat den Zwischenfall als häusliche Streitigkeit ab, mit der sie nichts zu tun hatte.

Hubbard fuhr nicht direkt nach Elizabeth, denn er wollte weitere Versuche Saras ihn festzunageln verhindern. Begleitet von dem loyalen de Mille nahm er einen Pendlerflug nach Phoenix; von dort flogen sie weiter nach Chicago, wo Hubbard sich zur Untersuchung sowohl bei einem Psychologen als auch bei einem Psychiater präsentierte, die beide gleichermassen irritiert waren.

"Er wollte das Zeugnis eines Fachmannes, dass er OK und jedenfalls nicht paranoid-schizophren wäre", sagte de Mille. "Wir gingen zuerst zu einem Psychiater, dem die ganze Sache nicht recht gefiel. Er hatte offensichtlich das Gefühl, für etwas benutzt zu werden, also bezahlten wir 10 $ und gingen wieder. Dann gingen wir zu einem prominenten diagnostischen Psychologen in der Gegend, der einige präventive Tests mit Hubbard machte und dann einen positiven, harmlosen Bericht folgenden Inhalts schrieb, dass Ron ein kreativer Mensch sei, der durch familiäre Probleme und Meinungsverschiedenheiten etwas aus der Bahn geraten war, dass dies seine Arbeit beeinträchtigte und so weiter. Es sagte nicht viel aus, doch Hubbard war entzückt darüber. Das Wichtigste daran war für ihn, dass der Bericht nicht besagte, dass er verrückt war; damit konnte er behaupten, dass von den Psychiatern bescheinigt wurde, dass er geistig gesund war."

Bevor er Chicago verlies, rief Hubbard im Büro des FBI an, um sie über seinen Verdacht zu informieren, dass einer seiner Mitarbeiter ein Kommunist wäre. Der Name des Mannes, den er nicht zögerte preiszugeben, war Miles Hollister. [14] Hubbard und de Mille flogen anschliessend nach New York; von dort nahmen sie dann ein Taxi nach Elizabeth, wo die Hubbard Dianetic Research Foundation immer noch arbeitete, jedoch von Gläubigern belagert war. Sie checkten in ein Hotel ein und warteten bis Alexis ankommen würde.

Während ihren Aufenthaltes dort trat eine weitere Komplikation in Hubbards schon genug verwickeltes Privatleben: Polly Hubbard hatte Klage wegen Unterhaltszahlungen in Port Orchard, Washington, eingereicht; sie behauptete, dass ihr früherer Ehemann "einen Kult namens Dianetik" betrieb, einen Bestseller geschrieben hatte, wertvollen Grundbesitz hatte und daher sehr wohl dazu imstande war, sich die Unterhaltszahlungen für seine zwei Kinder Nibs (damals 17) und Katie (15) leisten zu können. Hubbards Antwort bestand in der Behauptung, dass seine erste Frau nicht geeignet wäre, das Sorgerecht über die Kinder auszuüben, denn sie trinkt zuviel und ist eine Alkoholikerin".

Am 3. März 1951 schrieb Hubbard in seiner Rolle als patriotisch gesinnter Bürger an das FBI in Washington, um die Namen von 15 "bekannten oder mutmasslichen Kommunisten" innerhalb seiner Organisation bekanntzugeben. Ganz oben auf seiner Liste standen seine Frau und ihr Liebhaber:

SARA NORTHRUP (HUBBARD): früher wohnhaft 1003 S. Orange Grove Avenue, Pasadena, Kalifornien, 25 Jahre alt, 5"10", 140 lbs. Derzeitiger Aufenthalt irgendwo in Kalifornien. Nur mutmasslich. Pflegte freundlichen Umgang mit vielen Kommunisten. Derzeit intim mit ihnen, aber offensichtlich unter Zwang. Drogenabhängigkeit seit Herbst 1950. Bis vor ein paar Wochen wusste ich nichts von all dem. Trennungspapiere wurden eingereicht und um Scheidung angesucht."

"MILES HOLLISTER: Irgendwo in der näheren Umgebung von Los Angeles. Offensichtlich ein Rädelsführer, doch noch sehr jung. Ungefähr 22 Jahre alt, 6", 180 lbs. Schwarzes Haar. Scharfes Kinn, breite Stirn, ziemlich slawisches Aussehen. Bekennendes Mitglied der Jungen Kommunisten. Das Zentrum der meisten Unruhen in unserer Organisation. Entlassen im Februar, als Verbindungen entdeckt wurden. Aktiv und gefährlich. Derzeit bewaffnet. Offen verräterisch gegenüber den Vereinigten Staaten."

FBI Direktor John Edgar Hoover antwortete prompt: "Ich möchte Ihnen für die Informationen danken, die Sie unserem Büro zukommen haben lassen." [15]

Vier Tage später hatte Hubbard auf seinen Wunsch ein Treffen mit einem FBI-Agenten aus der Abteilung für Innere Sicherheit. Seine Absicht war es, seinen Beschuldigungen gegen Hollister entsprechenden Nachdruck zu verleihen, wie aus dem Bericht des Agenten hervorgeht: "Hubbard sagte aus, dass seiner Meinung nach Kommunisten innerhalb seiner Organisation die Strukturen aushöhlten. Er setzte mich davon in Kenntnis,dass er die Namen von verschiedenen mutmasslichen Kommunisten an das FBI-Büro in Los Angeles gemeldet hatte. Hubbard konnte sich nur noch an eines dieser Individuen erinnern. Er stellte fest, dass Miles Hollister einer der Individuen war, bei denen er kommunistische Verbindungen vermutete. Was Hollister betraf, so sagte Hubbard, dass dieser dafür verantwortlich war, Hubbards Frau, Sara Elizabeth Northrup, in den Wahnsinn getrieben zu haben. Hubbard zeigte sich sehr besorgt über den Einfluss Hollistern auf seine Frau. Er gab an, dass seine Frau wie auch seine 45er Automatik-Waffe schon seit einigen Tagen weg waren..."

Später in diesem Interview enthüllte Hubbard, dass Russland an seiner Arbeit interessiert sei. "Hubbard stellte klar, dass er der festen Überzeugung war, dass Dianetik dazu benutzt werden könnte, den Kommunismus zu bekämpfen. Jedoch lehnte er es ab zu erläutern, wie das zu bewerkstelligen war. Er bemerkte, dass die Sowjets anscheinend den Wert der Dianetik erkannt hatten, denn bereits 1938 kontaktierte ihn ein Vertreter von Amtorg, während er im Explorer Club in New York war, um ihm vorzuschlagen, nach Russland zu gehen und die Dianetik dort zu entwickeln. In einem offensichtlichen Versuch, seinen Ausführungen Glaubwürdigkeit zu geben, berichtete Hubbard, dass er kürzlich in Chicago einer Psychoanalyse unterzogen worden war und für ganz normal gehalten wurde ..." [16] Der FBI-Agent, der das Interview führte, konnte dem nicht zustimmen: Er zog die Schlussfolgerung, dass Hubbard "geistig verwirrt" war. [17]

Während seines kurzen Aufenthaltes in Elizabeth schaffte es Hubbard, seinen alten Freund und Mentor John W. Campbell zu verprellen, der sich aus der Foundation zurückzog und demzufolge auf die immer länger werdende Liste der Feinde Hubbards wanderte. Campbells Meinung nach war es unmöglich geworden, weiter mit Hubbard zusammen zu arbeiten; er war für die ruinöse Finanzlage und das komplette Chaos verantwortlich, das sich durch die ganze Bewegung zog. (Dessler schrieb Hubbard am 9. März, um ihn davon zu informieren, dass keiner der Mitarbeiter der LA Foundation seit zwei Wochen bezahlt worden war, doch Hubbard schien das nicht zu berühren.)

Bald nachdem Alexis angekommen war, kündigte Hubbard de Mille an, dass sie in den Süden gehen würden, wo es wärmer war, so dass er mit seinem Buch weitermachen konnte. In Elizabeth hatte es seit Wochen geschneit und de Mille bedauerte es überhaupt nicht aufzubrechen, wenn auch Hubbard klar gemacht hatte, dass er sich um das Baby zu kümmern hatte.

Es war dies eine eigenartige Truppe ungleicher Reisender: Ein grosser, 42-jähriger Mann von stattlichem Aussehen, flammend rotem Haar und einer Kool-Zigarette ständig zwischen seinen Lippen; sein kleinerer Begleiter, 29 Jahre alt, ziemlich scheu und mit grosser Ehrfurcht vor dem Älteren; und ein gurgelndes 12 Monate altes Baby in Windeln, das gerade zu laufen lernte. Die drei kamen Mitte März in Tampa, Florida, an. Sie nahmen zwei Zimmer in einem kleinen Hotel: Hubbard hatte einen Raum für sich, de Mille und das Baby teilten sich den anderen. "Es kam mir niemals in den Sinn, dass das Baby eigentlich bei ihm sein sollte", sagte de Mille. "Er war der Führer und ich sein Anhänger. Er gab die Befehle aus, und ich war privilegiert dienen zu können."

Hubbard gab vor, sich nach Liegenschaften umzuschauen, doch de Mille bemerkte, dass er nervös war und sich die meiste Zeit unbehaglich fühlte. "Eines Abends klopfte ich an seiner Tür; er öffnete und hatte eine geladene 0.45 Halbautomatik in der Hand. Ich muss ziemlich erstaunt ausgesehen haben, denn er sagte: "Du solltest dich nicht so an mich heranschleichen, Dick." Ich wusste bis zu dem Zeitpunkt nicht einmal, dass er eine Waffe hatte."

Ein paar Tage später sagte Hubbard zu de Mille: "Ich fühl mich nicht wirklich wohl hier. Ich möchte an einen Ort gehen, an dem ich frei atmen kann. Wir werden nach Havanna gehen."

Havanna war in den frühen 50ern, vor Castro, die Hauptstadt des Vergnügens in der westlichen Heimsphäre – eine korrupte, hedonistische, weltoffene Stadt, in der Touristen mit Geld unter Garantie Spass haben konnten. Amerikaner brauchten damals nicht einmal einen Pass, um in Kuba einzureisen, und niemand runzelte die Stirn, als die zwei Männer mit einem offensichtlich mutterlosen Baby aus Florida eintrafen. Sie nahmen ein Taxi in die Stadtmitte und stiegen in einem Hotel am Paseo Marti ab, Havannas geschäftige Hauptstrasse.

"Hubbard organisierte sich eine sehr alte spanische Schreibmaschine", erinnerte sich de Mille, "und hämmerte ganze Nächte wie wild auf sie ein, während ich auf das Baby aufpasste und zu schlafen versuchte, obwohl die Wasserleitungen in den Wänden ratterten. Nachdem wir dort ein paar Tage geblieben waren, gingen wir zu einem Immobilienmakler und mieteten ein Apartment im Erdgeschoss im Bezirk Vedado, damals das Beverly Hills von Havanna. Sobald wir eingezogen waren, stellten wir zwei jamaikanischen Frauen ein, die sich um Alexis kümmerten. Das war eine grosse Entlastung für mich."

Nachdem sie es sich in dem Apartment bequem gemacht hatten, begann Hubbard intensiv an seinem Buch zu arbeiten, indem er es in ein Tonbandgerät diktierte. Wie gewöhnlich arbeitete er die ganze Nacht durch – mit lediglich einer Flasche Rum, die ihn aufrecht hielt und normalerweise bei Morgengrauen leer war.

An den Nachmittagen sass er oft mit de Mille beisammen und unterhielt sich mit ihm. "Er sprach sehr viel über sich, doch wie das so oft bei Leuten seines Schlages ist, vertraute er mir nicht: Er erzählte mir die Geschichten so, wie er dachte, dass ich sie kennenlernen sollte. Er erzählte mir von Jack Parsons und Aleister Crowley und diese ganzen Ereignisse. Er übernahm keine Verantwortung für die schwarzmagischen Rituale und gab alle Schuld Parsons, doch gab er zu, dabeigewesen zu sein."

"Was ich damals nicht an ihm verstand, war sein Mangel an persönlicher Anteilnahme. Er dachte, die Leute seien dazu da, um benutzt zu werden und dem Benutzer zu dienen; sie hatten für ihn keinerlei Wichtigkeit in sich selbst. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass er Alexis mit der Absicht entführte, sie zu behalten; er benutzte sie lediglich dazu, um die Situation weiter unter Kontrolle zu haben."

"Als ich ihn das erste Mal im Shrine Auditorium sah, war ich sehr beeindruckt. Ich dachte, dass er ein grosser Mann war, der eine grossartige Entdeckung gemacht hatte; und wo auch immer er Mängel hatte, musste man darüber hinwegsehen, denn er hatte die Antworten. Er versprach den Himmel auf Erden. Er sagte: Ich habe den Schlüssel zu dieser Tür, willst du dort hinein gehen? Es war bedeutungslos, dass seine Qualifikationen suspekt waren; er hielt den Schlüssel in der Hand. Tatsächlich war er sehr belesen, eine Art Eigenbau-Intellektueller. Ich denke nicht, dass er jemals Forschung im akademischen Sinn betrieben hat, doch er wusste sehr viel über Freud, Hypnose, Okkultismus, Magie und so weiter – und Dianetik erwuchs aus diesem Wissen."

"Ich glaube nicht, dass Dianetik deswegen erfolgreich war, weil die Zeit reif war. Für einen Kult ist die Zeit immer richtig. Menschen präsentieren Ideen, von denen sie behaupten, dass sie die Welt verändern, und es gibt immer eine bestimmte Menge an Leuten, die ihnen glauben. Lenin war der Hubbard des Jahres 1917: Hubbard war die Madame Blavatsky von 1950."

Hubbards Möglichkeit sich auf seine Arbeit zu konzentrieren erlitt einen herben Rückschlag, als die amerikanischen Zeitungen vom Donnerstag, den 12. April, in Kuba ankamen. Sara hatte einen Paukenschlag ertönen lassen, indem sie beim Los Angeles Superior Court einen Vollstreckungserlass erwirkt hatte, der die Rückkehr ihres Kindes forderte. Die Schlagzeilen sprachen eine deutliche Sprache: "Sektengründer wegen Kindesentführung angeklagt", "Dianetik"-Hubbard der Verschwörung zur Entführung seiner Frau angeklagt", "Dianetik-Gründer der Kindesentführung bezichtigt". Die meisten Zeitungen brachten ein Bild der besorgten Mutter, die breit lächelte.

Nachdem er diese äusserst unangenehme Nachricht verdaut hatte, setzte sich Hubbard nieder und schrieb Sara einen Brief. Er ist datiert vom 15. April, und Ron brachte in ihm seine gesamte Phantasie als Groschenroman-Autor auf:

"Liebe Sara,

ich war im Militärkrankenhaus in Kuba und werde nächste Woche in die USA zurückgebracht als ein klassifizierter Wissenschaftler, der gegen all Arten von Ansteckungen immun ist.

Obwohl mir wahrscheinlich ein langer Krankenhausaufenthalt bevorsteht, wird sehr gut für Alexis gesorgt. Ich sehe sie jeden Tag. Ich lebe nur für sie.

Meine Gedanken hielten alles aus, was Du selbst oder andere in Deinem Namen mir angetan haben, doch mein Körper brach zusammen. Ich bin auf der rechten Seite gelähmt und es wird immer schlimmer. Ich hoffe, mein Herz hält durch. Ich hoffe, noch lange zu leben, doch ich bin nicht sicher. Doch Dianetik wird 10.000 Jahre bleiben – denn die Armee und die Marine haben es jetzt.

Ich habe mein Testament geändert. Alexis wird ein Vermögen erben, ausser sie geht zu Dir; dann bekommt sie nichts. Ich hoffe, Dich noch einmal zu sehen.

Goodbye – Ich liebe Dich

Ron" 

Am nächsten Tag ging Hubbard in die amerikanische Botschaft in Havanna und bestand darauf, den Militärattache zu sehen. Er bat um Schutz vor Kommunisten, die seiner Meinung nach versuchten, sein Forschungsmaterial zu stehlen. Er bat als Offizier einen Offizier um Hilfe. Der Attaché, eindeutig skeptisch, murmelte etwas von "wir werden sehen, was wir tun können" und kabelte dann an das FBI in Washington um "jegliche sachdienliche Information" über seinen ungebärdigen Besucher an. Er erhielt die Information, dass Hubbard zuletzt am 7. März interviewt worden war und dass "der Agent, der das Interview geführt hatte, der Meinung war, dass Hubbard geisteskrank war". [18]

De Mille hatte die Lähmung nicht bemerkt, die Hubbard in seinem bewegenden Brief an Sara erwähnt hatte, noch war er dessen gewahr, dass Ron sich in einem Militärhospital aufhielt, doch registrierte er mit Sicherheit ein Nachlassen von Rons Energie. "Er wurde wieder sehr nervös und klagte darüber, dass er sich nicht wohl fühlte. Er sagte, wir müssten wieder in die Innenstadt umziehen, also beendeten wir unseren Mietvertrag und zogen ins Packard Hotel gegenüber dem Park; von dort hatte man einen Blick über die Hafeneinfahrt und das Gefängnis. Hier verschlimmerte sich seine Krankheit. Vermutlich war es ein Geschwür, doch er behauptete, das Ganze wäre das Resultat einer vor langer Zeit erfolgten Schmerzmittel-Hypnose durch Sara und Winter."

Die Neuigkeiten aus Los Angeles trugen nicht gerade zu seiner Genesung bei. Am 23. April reichte Sara die Scheidung ein aufgrund von "extremer Grausamkeit, grosser seelischer Qual und physischem Leiden". Ihre Behauptungen waren eklatant. Abgesehen davon, dass sie Hubbard wegen Bigamie und Kidnapping verklagte, behauptete Sara, er habe sie systematischer Folter, inklusive Schlafentzug, Schlägen und Würgen sowie wissenschaftlichen Experimenten ausgesetzt". Wegen seiner "verrückten Verfehlungen" war sie stundenweise in Angst um ihr Leben sowie das Leben ihrer kleinen Tochter gewesen, die sie seit zwei Monaten nicht gesehen hatte".

All die pikanten Details waren in der Klageschrift enthalten. Als sie im Chateau Marmont lebten, hatte Ron angeblich zu Sara gesagt, dass er nicht mehr mit ihr verheiratet sein wollte, jedoch keine Scheidung wollte, weil das seinem Ruf schaden könnte. Sein Vorschlag war, sie solle sich umbringen, wenn sie ihn wirklich liebte". Daraufhin entzog er ihr den Schlaf für einen Zeitraum von 4 Tagen und gab ihr dann Schlaftabletten, die sie "an den Rand des Todes" brachten.

Sara klagte ihren Ehemann an, er habe sie des öfteren erwürgen wollen. Bei einer Gelegenheit kurz vor Weihnachten 1950 war er dabei so gewalttätig gewesen, dass er ihr die Eustachische Röhre in ihrem linken Ohr zerstört hatte. Im folgenden Monat in Palm Springs fuhr er mit dem Wagen los, als sie gerade ausstieg und warf sie so auf den Boden. Als Resultat von Hubbards Verhalten, so die Klageschrift weiter, schlossen die Klägerin und ihre Ärzte, dass der besagte Hubbard hoffnungslos verrückt war, dass es für den besagten Hubbard auch keine Hoffnung mehr gab, und somit auch für sie kein Grund bestand, diese Situation noch länger auszuhalten; dass kompetente ärztliche Berater empfohlen hatten, dass der besagte Hubbard in ein privates Sanatorium zur Beobachtung seines Geisteszustandes und zur Behandlung einer Geisteskrankheit, die unter dem Namen paranoide Schizophrenie bekannt ist, eingeliefert werde..." [19]

Caryl Warner, Saras grossspuriger Hollywood-Anwalt, tat sein Bestes, um diesem Fall die höchste Publicity zukommen zu lassen. Die Reporter, die für die LA Times bzw. den Examiner über Scheidungsfälle berichteten, waren beide Frauen als auch frühe Feministinnen. "Bevor der Fall anlief, liess ich sie Einblick gewähren und stelle sicher, dass sie wussten, welcher Typ dieser Hubbard war", sagte Warner. "Ich erzählte ihnen, dass Ron ein Sadist war, der seine Frau tagelang wach hielt und sie mit Zigaretten verbrannte und dass er vollkommen übergeschnappt sei. Sie konnten es kaum erwarten, bis ich die Scheidung eingereicht hatte."

"Ich mochte Sara und Miles. Sie heirateten schliesslich und kauften ein Haus in Malibu, wir wurden Freunde; ich erinnere mich, dass ich bei Ihnen das erste Mal Marihuana rauchte. Ich vertraute Sara absolut; ich stellte ihre Aussagen nicht infrage. Als sie das erste Mal zu mir kam mit dieser wilden Geschichte, wie ihr Ehemann ihr das Kind weggenommen hatte, war ich entschlossen, ihr auf jegliche Art zu helfen. Ich rief Hubbards Rechtsanwalt in Elizabeth an und warnte ihn: "Hör mal zu, du Arschloch, wenn du mir dieses Baby nicht zurückbringst, dann werd ich Dich zur Sau machen." [20]

Der erste Schaden wurde schon durch die vernichtenden Schlagzeilen in den Zeitungen überall im ganzen Land angerichtet, nachdem die Kidnapping-Klage am 11. April eingereicht worden war. (Der einzige unvorhergesehene Rückschlag für Warners sorgfältig vorbereitete Pläne war, dass Präsident Harry S. Truman lästigerweise den gleichen Tag wählte, um General Douglas MacArthur wegen Ungehorsams in Korea zu feuern und damit die Titelseite in Beschlag nahm.) Die Scheidung selbst bekam eine umfangreiche Berichterstattung und wurde besser in Szene gesetzt: Die Bilder der breit lächelnden Sara wurden durch Bilder ersetzt, auf denen sie bittere Tränen weinte und von ihrem Rechtsanwalt getröstet wurde.

In Kuba verschlechterte sich Hubbards Zustand. "Ich glaube, das was ihn wirklich fertigmachte", sagte de Mille, "war das Gefühl, dass er die Kontrolle über die Organisation verlor. Darauf lief es hinaus."

Es gab keinen Zweifel, dass Hubbards Schicksal sich in den zwölf Monaten seit seinem Auftreten als der bewunderte Gründer der Dianetik einem radikalen Wandel unterzogen hatte. In seinem Privatleben ging es drunter und drüber, die Hubbard Dianetic Research Foundations in Elizabeth und Los Angeles lösten sich in ihre Bestandteile auf, der grösste Teil des Geldes war auf die eine oder andere Art verplempert worden, er war Monate hinter seinem Zeitplan für das zweite Buch und er steckte mit Alexis in Kuba fest und hatte keine Ahnung, was er mit ihr tun sollte.

Was er brauchte war ein Retter, bevorzugt ein Retter mit sehr viel Geld. Und dafür gab es einen naheliegenden Kandidaten – Don Purcell, ein Geschäftsmann aus Wichita, Kansas. Mr. Purcell war nicht nur ein enthusiastischer Dianetiker, er war zufällig auch Millionär.

Gegen Ende April schickte Hubbard aus Havanna ein Telegramm mit der Bitte um Hilfe an Purcell. De Mille setzte mit einem Ferngespräch nach und drängte Purcell "etwas zu tun", denn Ron war am sterben. Purcell handelte ohne zu zögern. Er schickte ein Privatflugzeug mit einer diplomierten Krankenschwester nach Kuba um Ron und Alexis abzuholen und sie nach Kansas zu bringen. (De Mille hatte den Auftrag, zurückzubleiben und die Transkriptionen der Tonbänder zu beenden.)

Als Dianetik-Anhänger war Purcell erfreut und geehrt, Gastgeber für L. Ron Hubbard in Wichita sein zu können. Seine Freude sollte nur von kurzer Dauer sein.


Last updated: January 08, 2011

[1] Interview mit Cox und Brief an Martin Gardner, 30. April 1952
[2] Interview mit Ackerman
[3] Cults of Unreason (Irrationale Kulte), Christopher Evans, 1973
[4] Interview mit A.E.van Vogt
[5] Interviews mit Barbara Kaye, Los Angeles, 28. Juli – 5. August 1986
[6] Interview mit Perry Chapdelaine, Nashville, 25. April 1986
[7] Winter s.o.
[8] Brief von Hubbard an Barbara Kaye, 21. Oktober 1951
[9] US-Regierungs-Memo an den Direktor des FBI von SAC Newark, 21. März 1951
[10] Interview mit Horner
[11] Dianetik und Berufe, A.E. Van Vogt, 1953
[12] Ein Tatsachenbericht über Dianetik, John W. Maloney, Februar 1952
[13] Interview mit Richard de Mille, Santa Barbara, 25. Juli 1986
[14] Memo des US Regierung an den Direktor FBI von SAC Chicago, 27. April 1951
[15] Brief in der FBI-Akte, 10. März 1951
[16] Memo der US-Regierung, 62-116151-70, 7. März 1952
[17] Brief in der FBI-Akte, 10. März 1951
[18] Aerogramm an den Attaché, Havanna, 27. April 1951
[19] Scheidungsklage Nr: D414498, 23. April 1951, Los Angeles Superior Court
[20] Interview mit Caryl Warner, Hollywood, August 1986


Im englischen Original spricht der Autor dieses Buches von "Church", was in diesem Text als "Kirche" übersetzt werden könnte. Das würde aber im deutschen Text eine Aufwertung der Scientology Organisation bedeuten. Church bedeutet aber in den USA nicht unbedingt immer eine Kirche im herkömmlichen Sinn, sondern unter anderem auch eine Versammlung von Gemeindemitgliedern. Im Deutschen bedeutet Kirche "dem Herrn gehörig" (griech. kyriaké, althochdt. kiricha) und daher ist der Begriff Kirche in der deutschen Übersetzung nicht verwendbar.



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