Gegendarstellung zum UVS-Berufungsbescheidbezüglich Scientology vom 1.8.1995
Im August 1995 gab der UVS Wien einer Berufung von Scientology Österreich gegen eine Verurteilung nach § 366 Abs.1 der Gewerbeordnung statt; diese Entscheidung stösst – wie der Report vom 24. 9. 1996 zeigt - bis heute vielfach auf Unverständnis. In diesem Entscheid wurde der Rechtsmeinung der Gewerbebehörde nicht Rechnung getragen, dass Scientology "durch das Anbieten und Abhalten von Kursen (...) das Gewerbe : Lebens- und Sozialberater gemäss § 128 Z. 16 GewO 1973, nunmehr gemäss § 127 Z. 29 GewO 1994 ausgeübt hat, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben." Der Bescheid stützt sich praktisch ausschliesslich auf die von Scientology Österreich beigebrachte Gegendarstellung und kommt dabei natürlich zu einigen – für Insider verblüffenden – Folgerungen aus seinen "Ermittlungsergebnissen": er attestiert Scientology etwa den Status einer (noch) nicht anerkannten Religion ebenso wie die fehlende Absicht, Gewinne zu erzielen. Diese Argumentation einer letztinstanzlichen Behörde darf
in
meinen
Augen nicht unwidersprochen bleiben: A. Werden im Berufungsbescheid alle für die Beurteilung der Sachlage relevanten Kriterien berücksichtigt?1. Grundlegende Fragen und Kritikpunkte:Meiner Ansicht nach kommen bei vorliegender Berufungsentscheidung nach § 366 Abs. 1 GewO nur zwei relevante Punkte zum Tragen:
Was wird im Fall des vorliegenden Bescheides wirklich gegeneinander abgewogen? Es ist von einer "dämonisierenden Darstellung in den Medien" die Rede – diese steht aber in einer gewerberechtlichen Entscheidung nicht zur Debatte! Oder davon, dass der UVS nicht aufgerufen sei, "mündige Bürger" daran zu hindern, für Scientology-Dienstleistungen "hohe Geldbeträge zu bezahlen", um "sich ihr Seelenheil gleichsam kaufen zu können" (vgl. Begründung des Berufungsbescheides s. 30) – doch diese Forderung wurde gar nicht erhoben! Es sollte lediglich festgestellt werden, ob Scientology das Gewerbe des Lebens- und Sozialberaters ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt hat. Die Abwägung des "pro und contra" zur eigentlichen Streitfrage, die in der Begründung des Bescheides eingefordert wird, bleibt sie aber selbst schuldig!: So lagen der Berufungsbehörde ausser der (notwendigerweise einseitigen) Darstellung der Berufungswerberin offenbar keine Ermittlungsergebnisse vor. So sind keinerlei Erwägungen bezüglich der Glaubwürdigkeit und vor allem der Vollständigkeit der Darstellung der finanziellen Situation ersichtlich. So blieb ungeprüft, wie glaubwürdig die Darstellung von Auditing als spirituelle "Technologie" (im Zusammenhang mit Religion ein eigenartiges Vokabel) überhaupt ist. – Sollte diese Technologie anderen religiösen Zeremonien einerseits, den von der strafenden Behörde behaupteten Tätigkeiten von Lebens- und Sozialberatern andererseits gegenübergestellt worden sein, um die Argumentationslinie der Scientology zu verifizieren, so ist dies aus der umfangreichen Begründung des Bescheides jedenfalls nicht ersichtlich. Dafür wird vielen Einzelheiten aus der Darstellung der Berufungswerberin breiter Raum eingeräumt, diese aber an keiner Stelle hinterfragt oder anders lautenden Erklärungen gegenübergestellt. Ihre Angaben z.B. über Mitgliederzahlen wurden offenbar ungeprüft übernommen, wobei relevante Randbedingungen wie die Dauer der einzelnen Mitgliedschaften, die Anzahl und Art der empfangenen Dienstleistungen, ... unberücksichtigt blieben. Auch die Aussage der Berufungswerberin, dass derzeit keine Umsatzsteuer zu entrichten sei, wurde scheinbar nicht geprüft. Ob es sich dabei etwa schlicht um die nicht sanktionierte Nichtbezahlung einer Steuer handelt, die bisher einfach nicht beachtet wurde? Statt dessen beschäftigt sich die Berufungsentscheidung
ausführlich
mit der Darstellung von Scientology in den Medien und mit der aktuellen
Kritik an der Katholischen Kirche, ohne dass ein Bezug zur
vorliegenden
gewerberechtlichen Entscheidung hergestellt wird. 2. Zur österreichischen RechtslageDer einschlägigen Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnisse vom 6. 2. 1990, 89/04/0065) trägt die Entscheidungsbegründung (s. 27, 28) ebenfalls nicht Rechnung. Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich nämlich, dass Einnahmen der Vereinstätigkeiten, die nicht nur der Deckung der im Zusammenhang mit dieser Vereinstätigkeit stehenden Auslagen, sondern auch der Deckung der mit sonstigen Tätigkeiten des Vereins verbundenen Auslagen dienen, die Gewinnerzielungsabsicht als vorliegend ansehen lassen (vgl. dazu Bescheid s. 12 oben). Liegt Gewinnerzielungsabsicht vor, und sind auch die Tatbestandselemente der Regelmässigkeit und Selbständigkeit gegeben (Gegenteiliges ergibt sich aus vorliegender Berufungsentscheidung nicht), ist Gewerbsmässigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GewO gegeben, und ist das Bestandselement eines einschlägigen Gewerbebetriebes (BB s. 31 Abs. 2) nicht von Bedeutung.Die vorliegende Entscheidung, die den Rechtsirrtum der Scientology-Vertreter übernimmt, lässt somit eine Auseinandersetzung mit der Frage des Vorliegens der wesentlichen Tatbestandselemente vermissen bzw. beantwortet diese (offensichtlich mangels Kenntnis) entgegen der einschlägigen Judikatur des VwGH. Auch die Behauptung, es handle sich bei Scientology um eine Religionsgemeinschaft (vgl. S.27f des Berufungsbescheides) kann nur durch die unkritische Übernahme der Argumentation der Berufungswerberin zustande gekommen sein. Andernfalls hätte nämlich überprüft werden müssen, ob Scientology tatsächlich die Voraussetzungen nach dem Anerkennungsgesetz erfüllt; etwa, 3. Zur Beweiskraft der beigebrachten Gutachten und Gerichtsurteile aus dem AuslandAus der Begründung des Berufungsbescheids geht ausserdem eindeutig hervor, dass der UVS der ganz normalen Scientology-Propaganda auf den Leim gegangen ist, die "den Meinungsstand und die Rechtslage in Deutschland" deutlich verfälscht darstellt. So sind die beigelegten Gutachten mindestens zehn Jahre alt, z.T. sogar erheblich älter; d.h. sie stammen aus einer Zeit, zu der es nur schwer möglich war, über Scientology andere Informationen zu erhalten, als jene, die von der Organisation selbst zur Verfügung gestellt wurden.Auch die als Beweismittel beigebrachten Gerichtsurteile zugunsten von Scientology sind "alte" Urteile (aus den Jahren 1985 und 1988), während neuere eine ganz andere Rechtsauffassung aufweisen 1: Auch in Amerika ist Scientology nicht, wie von Scientologen vielfach behauptet und auch im UVS-Bescheid festgehalten, als Religion anerkannt worden; es wurde ihr lediglich die vor längerer Zeit aberkannte Steuerfreiheit wieder gewährt. Da die rechtliche Situation in Österreich ganz anders ist als in den USA, kann dieser Entscheid der Steuerbehörde auch nur bedingt Grundlage österreichischer Rechtsentscheidungen sein; aber eines beweist diese Argumentation einwandfrei: nämlich dass Scientology einseitig und unvollständig über sie betreffende Gerichtsurteile informiert. Der ihrer Darstellung folgende Bescheid beweist wiederum, dass diese Taktik beim derzeitigen Informationsstand vieler Behörden immer noch erfolgreich ist. Tatsächlich relevant sind in meinen Augen aber – wie oben
angeführt – nur zwei grundlegende Fragen: Ist Scientology als
Religionsgemeinschaft
zu werten? oder Kann Scientology wenigstens als "gemeinnütziger
Verein"
angesehen werden? Daher soll nun untersucht werden, ob zumindest eine
dieser
beiden Fragen zugunsten von Scientology beantwortet werden kann: B. Ist Scientology als "gemeinnütziger", das heisst dem Wohl der Allgemeinheit verpflichteter, Verein glaubwürdig?*1. Fehlende "Absicht der Gewinnerzielung"?Um die fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu belegen, argumentiert die Berufungswerberin u.a. damit, dass Scientology-Österreich seit Jahren Verluste macht, ja gar keine Gewinne machen will! – Damit behauptet sie aber, dass Scientology-Österreich die Absicht habe, gegen die Weisungen des Gründers und damit gegen die "Ziele, Lehren, Richtlinien, Praktiken und das Glaubensbekenntnis" von Scientology zu verstossen. 2Nicht nur das: das "Geld machen" ist für Scientology Österreich so wichtig, dass die betreffende Anweisung Hubbards sogar in der Wiener Organisation plakatiert wurde – ist die Argumentation in diesem Fall glaubwürdig? Davon abgesehen: als "Verein" kann Scientology keine "Verluste" im eigentlichen Sinn schreiben, da das Verwenden des Begriffs eine Gewinn- und Verlustrechnung und damit gewinnorientiertes Handeln voraussetzt; überhaupt: wodurch werden die ausgewiesenen "Verluste" abgedeckt? Von welchem Vermögen (ohne Angabe desselben ist nämlich der "Verlust" nicht relativierbar) und in Relation zu welchem Umsatz gehen sie verloren?,... – wurde das überprüft? (Wenn die Verluste von der Mutterkirche abgedeckt würden, so wäre diese Abdeckung auf der Einnahmenseite zu verbuchen und folglich die Bilanz ausgeglichen.) Scientology verkauft neben Büchern in erster Linie Kurse und sogenanntes Auditing. Vor allem letzteres wird neuerdings immer wieder als "religiöse Handlung" ausgegeben. Im Hinblick auf den unten dokumentierten Therapieanspruch (vgl. S. 8) so wie auf die ebenfalls später skizzierten Marketingmethoden (vgl. S. 7) muss diese Darstellung wohl bezweifelt werden. Allein aus diesen Tatsachen geht meiner Ansicht nach klar
hervor,
dass
das Praktizieren von Auditing eher der von der strafenden Behörde
angenommenen gewerblichen Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater
vergleichbar ist, als den Tätigkeiten eines ideell oder gar
religiös
ausgerichteten Vereins. 2. Zum scientologischen Wertsystem:Ausserdem wäre in diesem Zusammenhang natürlich zu überprüfen, ob es für die Allgemeinheit tatsächlich "förderlich" wäre (vgl. Abs. 2 der Vereinsstatuten), wenn die in Abs. 1 der Statuten genannten Tätigkeiten "in grösserem Ausmass durchgeführt würden"; d.h. ob es gesellschaftlich wünschenswert wäre, wenn scientologische Ideen, Überzeugungen und Praktiken vermehrt Eingang in unser aller Leben fänden. –Auch diese Frage, die schliesslich das relevante Kriterium für die Gemeinnützigkeit eines Vereines darstellt, muss in meinen Augen klar verneint werden: Wenn man nämlich die Schriften L. Ron Hubbards liest, so entdeckt man an vielen Stellen in ganz unterschiedlichem Zusammenhang eine unglaubliche Ablehnung und Verächtlichmachung von Werten, die die Grundlage unserer Gesellschaft bilden: z.B. Demokratie 3 oder Solidarität mit Schwächeren. 4 Dafür bildet ein ins Absurde übersteigertes Leistungsprinzip eine der wesentlichen Grundlagen dieser "religiösen Philosophie": Scientologen müssen ständig mit Statistiken ihre stetig steigende Leistung dokumentieren. Dabei gilt es bereits als "niedrige Statistik", wenn man an einem Tag gleich viel leistet, wie am Tag vorher. Ziel ist es, seine Leistung ständig deutlich zu steigern. Dass dies irgendwann schon aus rein physikalischen Gründen unmöglich wird, scheint allerdings nur wenigen Scientologen klar zu werden. 5 Wenn aber jemand diesem Plansoll eines Tages nicht mehr gerecht werden kann, so wird er beinhart ausgegrenzt oder gar ausgestossen.5 Scientology hat eindeutig nicht im Sinn, sich mit Leuten zu belasten, die am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Wer zu wenig leistet, der hat diesen unerwünschten Umstand durch irgendwelche Verfehlungen selbst verursacht 6 und selbst grundlegende Menschenrechte werden ihm aberkannt. 7 – "Lebensunwertes Leben" – hatten wir das nicht schon einmal ...? Mit den Menschen, die auf Grund ihres Alters, ihrer Gesundheit oder aus einer anderen (auch unverschuldeten) Ursache am Rande der Gesellschaft leben, will Scientology offenbar nichts zu tun haben. 8 Was stellt sich ein Scientologe unter diesen Umständen wohl unter §2l der Vereinsstatuten vorstellen "Vorbereiten und Durchführen von Sozialprogrammen" "um Drogenmissbrauch, Studierprobleme, Kriminalität, etc. Im Interesse der Allgemeinheit in den Griff zu bekommen."? Ob sich solche Vorstellungen mit den Werten und Zielen unserer Gesellschaft vereinbaren lassen, d.h., wie "gemeinnützig" Scientology angesichts der zitierten Grundsätze sein kann, sollte jedem in die Augen springen. In diese Denkrichtung passt auch, dass L.Ron Hubbard bei der Beurteilung des Holocaust die Opfer – ganz im klassischen Sinn – zu Schuldigen umdeutet 9 – Wie ist wohl die mögliche "geistige, kulturelle und sittliche" Förderung des Gemeinwohls (vgl. Abs 2b der Vereinsstatuten) durch so eine Gemeinschaft zu bewerten? Unter den in den Statuten aufgeführten Tätigkeiten des Vereins scheint auch "die Beratung in ethischen Angelegenheiten" auf. Auch das Ethikverständnis wirft ein bezeichnendes Licht auf die Grundsätze der Scientology und damit auf ihre mögliche(?) "Gemeinnützigkeit", denn ethisch ist in scientologischem Sinn, alles zu eliminieren, was gegen Scientology gerichtet bzw. auch nur anders orientiert ist als die Lehre Hubbards 10: Wenn Scientology-Ansichten Eingang in die Organisation unseres Gemeinwesens fänden, so bedeutete dies auch eine neue Qualität im Umgang mit Andersdenkenden. Solchen Menschen gegenüber scheint nämlich dem Scientology Gründer L.Ron Hubbard Gewalt durchaus angebracht 11. Und es bedeutete - wenn man das "Glaubensbekenntnis" dieser Gruppe ernst nimmt und zu Ende denkt – u.a.. die Abschaffung der Wissenschaften der Psychologie, der Psychiatrie, ... und ihrer Anwendung. 12 Selbst, wenn man nur die Auswirkungen solcher Haltungen auf die Mitglieder der Scientology und auf ihre in diesem Sinn erzogenen Kinder bedenkt (und die möglichen Folgen bzw. Folgekosten, die für die Gesellschaft entstehen) – kann man dann guten Gewissens die Verfolgung der Vereinsziele (u.a. "den religiösen Glauben von Scientology zu verbreiten") als "gemeinnützig" einstufen? C. Wie stichhaltig ist die Argumentationslinie, Scientology sei eine "Religionsgemeinschaft"?1. SelbstdefinitionenNach unserem Rechts 13 – ebenso wie nach allgemeinem Sprachverständnis 14 – ist Religion untrennbar mit irgendeiner Form des Gottesglaubens verbunden.Betrachtet man unter diesem Aspekt verschiedene Aussagen aus der Scientology-Literatur über das Wesen, den Anspruch und die Wirkung von Scientology und Dianetik* so erscheint der Anspruch der Scientology auf den Religionsstatus zumindest zweifelhaft: Deklarierter Massen liegt im Fall von Scientology kein bestimmtes Gottesbild 15 vor. So ist auch erklärbar, dass "Anhänger aller Bekenntnisse" als Scientologen willkommen sind. Nur: ist eine "Religion", die zu keiner anderen Glaubenslehre im Widerspruch steht, überhaupt denkbar? Besteht nicht das Wesen einer Religion u.a. im Glauben an die Wahrheit der eigenen Überzeugung und damit an die Unrichtigkeit aller anderen? Scientology aber erfordert – nach eigenen Angaben – keinen Glauben 16. Wo aber bleibt in diesem Fall der "Glaube an Gottes Hilfe", der ebenfalls in den "Glaubensgrundlagen" behauptet wird? 17 Und woraus leiten sich diese angeblichen "Glaubensgrundlagen" ab? Ich habe viele Scientology-Materialien studiert, aber auf den Glauben an Gott, an die Nächstenliebe oder den Wunsch, kostenlos Fürsorgeleistungen zu erbringen 18, bin ich dabei nirgends gestossen! Im Gegenteil, der empirische und wissenschaftliche Charakter dieser "Religion" wurde immer wieder betont 19; ebenso wie die Beteuerung, dass es nicht vertretbar sei, kostbare Zeit und Energie an Leute zu verschwenden, die diese nicht bezahlen können. Im Hinblick auf die zitierten Stellen aus dem Gutachten von Univ. Prof. Dr. K. 20 wäre ausserdem zu überlegen, wie es zu werten ist, wenn in einem Gedankengebäude ein höheres Wesen zwar nicht ausgeschlossen wird, seine Existenz oder Nichtexistenz aber keinerlei Änderung dieses Gedankengebäudes und der daraus resultierenden Denkweisen sowie der von diesem Gedankengebäude abgeleiteten Verhaltensweisen und Verhaltensrichtlinien zur Folge hat. Denn genau das ist bei Scientology der Fall: wäre nämlich die "Ausrichtung des Lebens" nicht von einem eventuellen Gottglauben unabhängig; könnte sie nicht "für alle Bekenntnisse" annehmbar sein. Besonders klar wird die Beliebigkeit mit der sich Scientology
– je
nach
Bedarf – verschiedenste Etiketten verpasst, wenn man feststellt,
dass
diese "Religion" sich nicht nur gegebenenfalls auch als "religiöse
Philosophie für alle Bekenntnisse" versteht, sondern auch
wahlweise
als Metawissenschaft 21
bzw.
als Teilgebiet eines spezifischen Wissenschaftszweiges 22.
2. Mission oder Marketing?Religionen sind im allgemeinen daran interessiert, dass ihre Ideen möglichst rasch, weit und unproblematisch verbreitet werden; das Bedürfnis zu missionieren scheint mir ein wesentliches Kriterium echter Religiosität.Wie aber soll man das Sendungsbewusstsein einer Gruppe beurteilen, die versucht, ihre Verbreitung an vordergründige wirtschaftliche Voraussetzungen zu binden 23 und durch "eingetragene Warenzeichen" zu monopolisieren? In meinen Augen zeugt dies nicht vom Wunsch nach Missionierung, sondern von knallhartem Gewinnstreben! Wo aber sozial Schwache der Aufmerksamkeit nicht wert sind, wo in erster Linie die Leistungsfähigkeit den Wert eines Menschen bestimmt haben die Betonung "mildtätiger" Vereinszwecke so wie alibiartige Fürsorgeleistungen wohl nur den Zweck, Scientology als "Kirche" zu legitimieren; als Folgen einer barmherzigen und sozialen Grundhaltung sind sie einfach unglaubwürdig! Will sich Scientology – wie im vorliegenden Fall – als "Kirche" präsentieren, so wird das sogenannte "Auditing" als "religiöse Handlung" bezeichnet 24. Nicht nur, dass diese Darstellung zahlreichen gegenteiligen Aussagen widerspricht (vgl. z.B. Anm. 19 und 30 – 33). In derselben Stellungnahme wird behauptet, dass diese Leistungen sogar "vor allem" an Nichtmitglieder 25 verkauft werden und dass sie Teil scientologischer Religionsausübung seien! 26 – Ist der Verkauf von "religiösen Handlungen" zu enormen Preisen an "Ungläubige", üblich oder auch nur vorstellbar? Oder verstrickt sich die Berufungswerberin hier einfach zwischen den für Scientology typischen Argumenten "für alle Fälle" in unauflösliche Widersprüche? Jedenfalls wirbt Scientology für diese Dienstleistungen eindeutig in der Form einer Produktwerbung und nicht – wie es einer Religion entspräche – in der Form einer Glaubensinhalte in den Vordergrund stellenden Missionierung; ja, oft ist die Verbindung des beworbenen Produktes zu Scientology nur mit Mühe zu entdecken. Typisch für diese Art der Selbstpräsentation ist ein Flugblatt, das immer wieder an Wohnungstüren oder geparkte Autos gesteckt wird: das wohlbekannte Konterfei Einsteins als Blickfang suggeriert eine enge Verbindung zur Naturwissenschaft. Und was wird nun im Text angekündigt? Ewige Seligkeit? Eine bessere Einsicht in den Willen Gottes? Erleuchtung? – Nein! Versprochen wird eine Steigerung der Intelligenz auf der Basis seriöser Forschungen. 27 In der "Brücke", dem "Magazin der Scientology-Kirche Österreich" Nr. 168 wird Hilfe bei Problemen in Aussicht gestellt, die eher in die Hand eines Psychologen (oder eben eines Lebensberaters) gehören, als in die eines Religionslehrers. 28 – Insgesamt sind es 18 Punkte, die allesamt – wie die in der Anmerkung zitierten – Kommunikationsprobleme betreffen, aber weder allgemein religiöse noch konkrete konfessionelle Fragen zum Thema haben. Ähnliches gilt auch für den in einem bunten Falter beworbenen "Purification-Rundown", der im Berufungsbescheid als "religiöse Praxis" bewertet wird: Die Illustrationen wecken Assoziationen an die Weight Watchers, an die Angebote sogenannter "Gesundheitshotels" o.ä. – und auch der Text lässt – wie in den oben angeführten Beispielen – den Gedanken an "Religion" gar nicht erst aufkommen. 29 Auch wenn auf der Rückseite im Kleingedruckten (=wörtlich zu nehmen) darauf hingewiesen wird, das Reinigungsprogramm sei "Teil des Befreiungsweges der Scientology-Religion" und nicht dazu da "Körper in Ordnung zu bringen", so wirkt dies im Vergleich zur vorangehenden Präsentation des Programms aufgesetzt und unglaubwürdig. Verstände sich nämlich Scientology wirklich als
Religion,
so müsste am Beginn jeder Publikation gross auf diesen
Befreiungsweg
hingewiesen werden und er würde nicht verschämt im
Kleingedruckten
am Schluss versteckt werden, um den religiösen Anspruch
notfalls
"beweisen" zu können. 3. TherapieanspruchZu dieser am Produkt orientierten Werbung passt es dann auch, dass Scientology immer wieder dezitiert den Anspruch erhebt, in körperlicher und seelischer Hinsicht therapeutisch wirksam zu sein. So kann z.B. der Zustand "Clear" (der auf s. 14 der Entscheidungsbegründung als religiöses Dogma bezeichnet wird) nach Scientology-Theorie nur mittels Dianetik-Auditing erreicht werden! Dianetik aber soll offenbar als eine Art medizinischer Praxis verstanden werden; 30 - auch die gesamte Psychiatrie wird übrigens angesichts von Scientology angeblich überflüssig. 31Scientology bietet u.a. einen "kostenlosen Persönlichkeitstest" (auch kein typisch "religiöses" Angebot!) an, der die Getesteten dazu motivieren soll, sich auditieren zu lassen: Aus den dazu gehörigen Anweisungen ergibt sich eindeutig, dass mit dem Test zwar eine ernsthafte Diagnostik vorgetäuscht werden soll, aber wohl – wie Dr. Kind zu Recht anmerkt – nur die Absicht bezweckt ist, den PC zum Auditing zu motivieren. 32 Dieses Auditing aber – man kann es nicht oft genug festhalten und belegen – entspricht eher einem Therapieangebot als einer seelsorgerischen Tätigkeit. 33 Auch wenn man sich diesen "Technologien" – etwa dem sogenannten Reinigungsrundown – von der theoretischen Seite nähert, offenbart sich – bei aller Absurdität – eher ein pseudowissenschaftlicher als ein religiöser Charakter: Es finden sich z.B. Erläuterungen wie: Radioaktive Strahlung sei wasserlöslich und wie Wasser beweglich. Aus diesem Grund müsse beim Purification Rundown (der angeblich von alten Strahlungsbelastungen befreit und so die Widerstandsfähigkeit gegenüber neuen erhöht) sorgfältig darauf geachtet werden, dass stark und voluminös geschwitzt werde. (nach HCO-Bulletin 3.1.84 issue III Purification Rundown Series 7). Zusätzlich wird mit enormen Vitamindosen gearbeitet. 34 Eine besondere Rolle spielt dabei das B-Vitamin Niacin, denn dieses kann laut LRH vor atomarer Strahlung schützen und bereits bestehende Strahlenschäden beheben. Die interessante Folgerung: in atomverseuchten Gebieten können nur Scientologen "funktionieren" (nach HCO-Bulletin 3.1.80, rev. 31.7.85, S.2, Purification Rundown Series 3). Im Zuge dieser Behandlung soll ein "Flush", eine Rötung der Haut mit Hitzegefühl, erreicht werden (HCOB 14.2.80, S.3), wobei die Scientologen informell darüber "aufgeklärt" werden, dass diese Reaktion auf die Restimulation alter Sonnenbrände zurück zu führen sei. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang u.a., wie Hubbard auf mögliche Manifestationen realer körperlicher Erkrankungen reagiert: dem "Behandelten" wird nicht empfohlen, einen Facharzt aufzusuchen, sondern die Scientology-"Therapie" verstärkt fortzusetzen. 35 Wie gefährlich die Praktiken der Scientology für die
von
ihr
Behandelten in physischer und psychischer Hinsicht sein können,
müssen
Fachleute beurteilen. Eines scheint mir allerdings klar zu sein:
dass
solche Ideen wohl kaum als Teil einer religiösen Lehre
angesehen
werden können! Zusammenfassung:Leider konnte in diesem Rahmen nur auf die wichtigsten Punkte des Berufungsbescheides eingegangen werden; eine detaillierte Befassung mit allen Punkten, die man in Frage stellen könnte bzw. überhaupt erst untersuchen müsste, wäre wesentlich umfangreicher und damit unübersichtlicher geworden!Dennoch kann festgehalten werden,
Es ist zu hoffen, dass diese Tatsachen in Zukunft mehr Beachtung finden!Anmerkungen:Da lt. Statuten „die Ziele, Lehren, Richtlinien, Praktiken und das Glaubensbekenntnis“ der Scientology „in den Schriften und anderen aufgezeichneten Materialien von LRH dargelegt“ sind, sollen im folgenden Zitate aus diesen Quellen zu Illustrations- und Argumentationszwecken herangezogen werden. Dianetik ist Grundlage und Ursprung des scientologischen Gedankengebäudes und damit der wichtigste Teilbereich.[1] So
entschied
z.B. das Bundesverwaltungsgericht Berlin, auf dessen Urteil aus dem
Jahr
1998 sich die Berufungswerberin beruft, am 16. Februar dieses Jahres,
dass
Scientology „in Gewinnerzielungsabsicht am Wirtschaftsleben“ teilnehme.
Von da an muss Scientology künftig alle Filialen als Gewerbe
anmelden und Profite aus Buchverkäufen und Psychokursen
versteuern.
Am 22. März dieses Jahres entschied das deutsche
Bundesarbeitsgericht,
dass auch für Scientology das deutsche Arbeitsrecht gelte;
„man
könne ein Arbeitsverhältnis nicht einfach umetikettieren und
damit aus der Welt schaffen“: Scientology hatte argumentiert, dass
ein ehemaliger Mitarbeiter, der mehr als 100 Stunden wöchentlich
für
ein Taschengeld gearbeitet hatte, „nur in religiösen Bereichen“
tätig
gewesen sei. |