Zwischen Fesselung und Befreiung: ScientologyMit freundlicher Genehmigung vonDr. Rüdiger Gollnick Historische, pädagogische, psychologische Perspektiven
einer
unterrichtlichen Umsetzung Dr. Rüdiger Gollnick ist Wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Dr. Löwisch im Fachbereich 2 (Erziehungswissenschaft) an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, arbeitet mit am Forschungsprojekt "Pädagogische Ethik" und habilitiert sich im Forschungsbereich "Internationale Wertagenturen". Veröffentlichungen zur Historischen und Systematischen Pädagogik, zur Werte-Erziehung; Seminare in der Lehrerfortbildung. 1.0 VorbemerkungNachdem in "Pädagogik UNTERRICHT", 2/3 1997, bereits eine Einführung in Grundgedanken der Scientology und die scientologische Sicht des Kindes vor dem Hintergrund der UNO-Kinderrechtskonvention von 1989 gegeben wurde, sollen nun - wie bereits avisiert - weitergehende Perspektiven einer unterrichtlichen Umsetzung des Themas "Scientology" (SC) gegeben werden.2.0 Warnung!"Warnung! Betreten des schulischen Sicherheitsbereiches ist verboten! Es wird von der juristischen Schußwaffe Gebrauch gemacht!"Nach der neuen Konzeption von Schule, die sich gesellschaftlicher Wirklichkeit öffnen soll, zeigen sich hier bereits markante Schwierigkeiten für eine solche Öffnung.
3.0 Schul- und studienbezogene Aspekte: selbständiges und forschendes LernenVor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer stärkeren Straffung des Studiums, was auch wiederum Auswirkungen auf den Unterricht des Gymnasiums hat (Vernetzung: Schul-/Hochschulunterricht), sollen gerade die wissenschaftspraktischen und methodischen Aspekte keineswegs vernachlässigt werden, da sie zudem noch effizient in die inhaltliche Konzeption des Unterrichtes integriert werden können. Zwar werden an den Hochschulen diesbezügliche Methodenkurse angeboten bzw. vorgeschrieben, doch Studierende erinnern sich in der Regel dankbar an ihre Lehrpersonen, die mit ihnen bereits praktisch (!) eine solche Arbeit konkretisiert haben. Sie haben faktisch einen Vorsprung vor anderen Studierenden, unterliegen weniger diesbezüglichen Unsicherheiten und Irritationen.Bei einem solchen Arbeitsansatz tauchen studienrelevante, typische Probleme auf, die in einem zumutbaren Maße von Mittelstufen- und Oberstufenschülern in Verbindung mit der Lehrperson zu bewältigen sind, wobei nicht der quantitative Umfang einer solchen Arbeit entscheidend ist:
4.0 Hinführungen zum ThemaEine direkte Hinführung zum thematischen Komplex "Scientology" ergibt sich
5.0 Unterrichtliche Handreichungen zur DurchführungEine Auswahl der o.a. Aspekte läßt sich vorhergehend oder begleitend mit den entsprechenden Unterrichtswerken bearbeiten. Zum motivationalen und sachorientierten Einstieg in unterschiedliche Aspekte der Thematik eignet sich vorzüglich der gerade erschienene autobiographische Roman vom SC-Aussteiger Norbert Potthoff: Im Labyrinth der Scientology. Bergisch Gladbach 1997 (Bastei/Lübbe Tb.; Preis z.Zt. 14,90 DM).5.1 Ein literarischer mehrdimensionaler EinstiegIn narrativer Form werden hier die Impulse, Strategien, menschlichen Stärken und Schwächen, Rationalität und Emotionalität der beteiligten Personen komplex, eben nicht vordergründig und polemisch sowie reißerisch, in einem sozialen Netzwerk - erlebnishaft nachvollziehbar - dargestellt. Es ergeben sich von diesem autobiographischen Roman aus eine Vielzahl von o.a. Aspekten, wobei man durch die Konkretheit der Darstellung sehr schnell einen Verstehenszugang zu vertiefender Sachliteratur hinsichtlich SC findet.Aufgrund des leicht zu lesenden autobiographischen Romans ergeben sich für Schüler/innen erkenntnisleitende Fragestellungen, die sie selbst entwickeln und weiterverfolgend bearbeiten können, wenn gewisse u.a. Literatur zur Verfügung gestellt wird. Eine solche Vorgehensweise kann dann auch zu einer größeren Hausarbeit führen, die als Klassen-/Kursarbeit - nach vorheriger Absprache und Abklärung - anerkannt werden kann (s.o. Abschn. 3.0). 5.1.1 Anthropologische AspekteEin wesentlicher Bestandteil scientologischer Technologie stellt das Auditing dar. Es wird auch als unverzichtbares Mittel bei der Erziehung der Kinder angesehen. Wie bei Kindern sich so etwas abspielt, ist bereits im o.a. PU-Aufsatz ansatzweise skizziert worden; ausführliche Beispiele findet man in Hubbards "Kinder-Dianetik" (Literatur s. PU 2/3, 1997). In Potthoffs Roman wird Auditing mit den entsprechenden psychischen Begleitumständen positiver und negativer Art ausführlich dargestellt. Die Scenarien lassen sich sehr gut nachvollziehen und problematisieren auf Jugendliche und junge Erwachsene hin, - vor allem auch vor dem Hintergrund des Fehlens eines kompetenten Psychologen oder Psychotherapeuten beim Auditing. Analoges gilt für die sog. "Reinigungskuren". Von daher lassen sich Perspektiven zu Fragen der Entwicklungspädagogik/-psychologie/-soziologie ziehen. Weitergehend kann die mentale Formatierung von Menschen (psychosoziale und psychomentale Manipulation) aufgrund dieses Romans verfolgt werden, so daß die fundamentale Fixierung auf dieses System mit allen individual- und sozialpsychologischen Folgen (s.u. Klosinski) verstehbar wird.Literaturhinweise: K.-H. Eimuth: Die Sekten-Kinder. Mißbraucht und betrogen. Erfahrungen und Ratschläge. Freiburg/Basel/Wien 1996 (Herder-Spektrum-Tb.) R. Gollnick: Studien zur Ethik und Pädagogik der Scientology. Sankt Augustin 1998 (Januar 1998 erschienen) G. Klosinski: Psychokulte. Was Sekten für Jugendliche so attraktiv macht. München 1996 (Beck'sche Reihe) Als allgemein einführende Literatur sei auch auf - P.
Köpf:
Stichwort: Scientology. München 1995 (Heyne Sachbuch Tb.)
verwiesen,
die auch von S I-Schülerinnen und Schülern ohne wesentliche
Schwierigkeiten
gelesen werden kann. 5.1.2 Wertorientierungen / Normeninternalisierung - "Glaubensbekenntnis" (Anhang)Auch für dieses Thema bietet der Roman eine Fülle von analytisch zu ermittelnden Daten, was intensive Textarbeit voraussetzt. Es wird die Entwicklung von Menschen hinsichtlich ihrer Wert-Umorientierung im Sinne eines Werte-Bruches aufgezeigt und ihre soziale Isolierung infolge einer systembedingten Fixierung dargestellt. Das entwicklungspädagogisch interessante Thema und Problem der Werterziehung kann hierbei erarbeitet werden.(Klicken Sie hier
für das "Glaubensbekenntnis der Scientology Organisation"; im Buch
"Pädagogik
Unterricht"
18. Jahrgang Heft 1, Februar 1998 auf Seite 45
abgebildet) Literatur allgemein zur Werteerziehung: R. Gollnick: Werte-Erziehung, PU 2/3 1996, S. 2-16 D.-J. Löwisch: Einführung in Pädagogische Ethik. Darmstadt 1995 Verwiesen sei ferner auf die äußerst preiswerte, neueste Shell-Jugend-Studie! Es kann einen Schritt weitergegangen werden, indem das scientologische Glaubensbekenntnis als ein Bekenntnis zu bestimmten Werten mit handlungsnormierender und gesellschaftspolitischer Wirkung analysiert und reflektiert wird. Ausführlich wird das scientologische Glaubensbekenntnis analysiert und interpretiert: R. Gollnick: Das Wege-Scenario in seiner pädagogischen Konzeption als »Lebensweg« - aufgezeigt an Escrivás »Der Weg« und Hubbards »Ethik«. In: R. Gollnick: Pädagogische Weg-Markierungen. Festschrift für D.-J. Löwisch. St. Augustin 1996, S. 123-170 ders.: Studien zur Ethik und Pädagogik der Scientology.
Sankt
Augustin
1998 5.2 Zwei aktuelle Einstiege und mögliche VertiefungenScientology hat wiederholt Pressekampagnen gegen die BRD initiiert, von denen hier einige Beispiele gegeben werden. Dabei können diese hier abgedruckten Beispiele historisch bzw. systematisch angegangen werden5.2.1 "Preserve That Freedom" (Anhang)Die "Church of Scientology",
In der hier vorliegenden Anzeige in der New York Times ist als zentraler und optischer Blickfang das Foto von der Befreiung des KZ Dachau Ende April 1945 (29.04.45) durch Angehörige der amerikanischen "RAINBOW DIVISION" (42. Reg.) positioniert. Damit wird zunächst eine Vernetzung von amerikanischem Engagement für Freiheit, für Lebensrecht aller, gegen Rassismus und Verfolgung von Menschen jedweder Art in historischer Zeit (bevorstehende 50 JAHRFEIER) mit aktuellen sozialen und politischen Problemen der BRD verknüpft (Zustromproblematik, Asylbewerber-, Aussiedlerthematik, Rechtsextremismus; Ausschreitungen, Übergriffe etc.). (Klicken Sie hier um die Anzeige aus der New York Times zu lesen; im Buch "Pädagogik Unterricht" 18. Jahrgang Heft 1, Februar 1998 auf Seite 47 im Original mit Foto abgebildet) Der Zeitpunkt für die Anprangerungskampagne war politisch geschickt gewählt, da in dieser Zeit die potentielle Aufnahme der BR Deutschland als ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat international andiskutiert wurde; zudem jährte sich zum fünfzigsten Mal die Befreiung des KZ Dachau durch amerikanische Truppen (April 1945 - April 1995). In Dachau selbst fanden unter Einbeziehung von Angehörigen der damaligen Rainbow-Truppe offizielle Feierlichkeiten statt. Analyse: Das historische Deutschland / NS-Staat wird mit dem gegenwärtigen in Verbindung gebracht mit der Perspektive der Wiederholbarkeit ideologischer, politischer und militärischer Katastrophen. Fokussiert wird die hochkomplexe Thematik von Diskriminierung und Verfolgung Andersdenkender, Fremdrassiger etc., die in unterschiedlicher Intensität und Qualität auch in den anderen europäischen und amerikanischen Staaten gegeben sind, allein auf Deutschland und als genuin deutsches Problem historisch begründet. Wichtig ist in dieser Anzeige die Text-Struktur, die den Aufbau einer bestimmten thematischen Assoziationskette im Rezeptionsprozeß eben dieser Anzeige beim Leser intendiert:
Diese Argumentation ist zu sehen vor dem historischen Hintergrund folgender Vorgänge, die einen Bruch Deutschlands mit der Menschen- und Völkerrechtstradtition darstellten: Mit der Machtübernahme (30.01.33) und mit dem Ermächtigungsgesetz (24.03.1933), mit der Verfolgung und Ausschaltung der direkten politischen Gegner in 1933, mit der "Säuberung" des Staatsapparates (Gesetz zum Berufsbeamtentum, 04.05.33), mit der Liquidierung der politischen Konkurrenten (Röhm-Putsch) in 1934 und mit der systematischen Verfolgung der religiös-weltanschaulichen Gegner in den Folgejahren (Verbot konkurrierender Jugendorganisationen, 1936 Hitler-Jugend wird Staatsjugend), mit den Nürnberger Rassegesetzen (15.09.1935), mit dem Euthanasieprogramm in 1939/41 (Liquidierung von "lebensunwertem Leben), mit der "Reichskristallnacht" 9./10.11.1938, mit dem Anschluß Österreichs 1938 und dem Anschluß des Sudetenlandes und der Zerschlagung der Tschechoslowakei in 1939, mit dem Überfall auf Polen 1939 und auf die Sowjetunion 1941, mit der Wannsee-Konferenz zur Endlösung der Judenfrage (20.01.1942; erste Judenvergasungen in Auschwitz Sept.1941), mit der industriell organisierten Vernichtung von Juden, ethnischen Minderheiten (v.a. Sinti und Roma), von "Volksschädlingen" (Kriminellen, Homosexuellen, Arbeitsscheuen, sozial Auffälligen etc.) ... hält sich die Regierung des Deutschen Reiches, halten sich deutsche Institutionen und deutsche Bürger nicht mehr an gültig geschlossene internationale Verträge, brechen aus der historischen Tradition der Menschenrechte heraus, niedergelegt in den europäischen Verfassungen. Eine stärker historische Vertiefung wäre dann z.B. mit der Pädagogik J. Korczaks zu verbinden. 5.2.2 "An Open Letter to Helmut Kohl"Am Dienstag, dem 09. Januar 1997, erschien in der "International Herald Tribune" eine Anzeige (Advertisement) in der Form eines "Offenen Briefes" an den Kanzler der BR Deutschland, unterzeichnet von 36 Personen des öffentlichen Lebens in Amerika (Nicht-Scientologen), die sich gegen "die staatliche organisierte Diskriminierung" von Scientology-Anhängern und implizit des Religionssystems "Scientology" in der BR Deutschland wenden.
Analysesaspekte:
5.2.3 Weitere unterrichtliche Perspektiven und LiteraturangabenNS-Pädagogik:Eine gute kompakte Einführung in Grundgedanken der NS-Pädagogik und ihre schulorganisatorische Praxis bietet noch immer: D.-J. Löwisch: Erziehungssysteme. A Erziehung im Nationalsozialismus. In: Arbeitsbuch Pädagogik 4 (Neu). Hrsg. u. bearb. v. W. Fischer / D.-J. Löwisch / J. Ruhloff. Düsseldorf 6. Aufl. 1983, S. 9-46 W. Keim: Erziehung unter der Nazi-Diktatur. Bd. I .; Bd. II. Darmstadt 1997 (gerade erschienen Wiss. Buchges.) NS-Zeit: Nachkriegszeit: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1996 (i.d.R. kostenlos im Klassen- oder Kursset zu beziehen über Bundeszentrale) D. Hesselberger: +. Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung. 10., überarb. Aufl. Neuwied 1996 (darin enthalten: Grundgesetz für die BRD, UNO- Menschenrechtsdeklaration u.a.; zu beziehen über Bundeszentrale) R. Gollnick: Die scientologische Sicht des Kindes vor dem Hintergrund der UNO-Kinderrechtskonvention. In: PU 2/3 1997, S. 15-44 (dort auch weitergehende Literatur, die hier nicht mehr aufgeführt werden braucht. Empfehlend sei auf das Gutachten von H.-G. Jaschke verwiesen.) R. Gollnick: Studien zur Ethik und Pädagogik der Scientology. Mit Graphiken von M.Chr. Honekamp. Sankt Augustin 1998.
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Studien zur Ethik und Pädagogik der Scientology von Dr. Rüdiger Gollnick |